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Fakten zur Aufführung 

RINALDO
(Georg Friedrich Händel)
24. Februar 2010
(Premiere: 25. Oktober 2009 Rüsselsheim)

Schauspielhaus Karlsruhe
Hochschule für Musik und darstellende Kunst Frankfurt am Main
33. Händel-Festspiele Karlsruhe


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Triumph der Gräuel

Es ist ein bemerkenswerter Höhepunkt der Karlsruher Händelfestspiele 2010: das Gastspiel der Frankfurter Musikhochschule und der Offenbacher Hochschule für Gestaltung. Händels Rinaldo als aggressiv-kritische Auseinandersetzung mit den Mythen von kriegerischem Triumph und heroischer Liebe – und den drastisch demonstrierten Folgen mit Gräueln, Vergewaltigung, Mord und Zerstörung.

Stefan Bastians inszeniert Händels Oper über die Kreuzzügler vor Jerusalem nach Tassos Epos mit den Mitteln des brutalen Theaters: die Helden als versprengte Söldnertruppe, gnadenlos-zynisch die Jerusalemer verfolgend, brutal im internen Verhalten. Eingesetzt werden symbolisierend ausdrucksstarke Tänzer, Armida erscheint in dreifacher Gestalt. Allerdings: Das kompromisslose Insistieren auf Prinzipien radikaler Dekonstruktion lässt mit dem fatalen Hang zu radikalen Effekten an der Gültigkeit des Konzepts zweifeln – zu wenig spielen die Händel-typischen musikalischen „Affekte“ eine Rolle für das losgelöst-konterkarierende Bühnengeschehen.

rosalie baut mit ihren Bühnenbild-Studenten der Offenbacher Hochschule eine offene Szene mit frappierend rudimentären Elementen: rätselhaft deutbare Vorhänge, variable dreidimensionale Elemente, attraktiv-kommentierende Kostüme - farblich stimulierend optische Effekte setzend; im Schlussakt zerfledderte Pappkartons als ungemein treffsicheres Bild einer zerstörten Zivilisation.

Fausto Nardi leitet die jungen begeisterungsfähigen Musiker der Frankfurter Hochschule zu einem äußerst lebendigen Händel-Klang – temporeich, emotionsgeladen, die Instrumentengruppen fordernd, die Sänger-Darsteller immer im Blick! Dass im Orchester bisweilen Abstimmungsprobleme zu hören sind: das ist auch für eine so Erfolg versprechende Gruppierung zu akzeptieren!

Brillant das darstellerisch engagierte und stimmlich nachgerade perfekte Sänger-Ensemble: allesamt absolut sicher in der Intonation mit den barocken Herausforderungen, den Koloraturen und komplizierten Registerwechseln. Annika Gerhards spielt und singt als Almirena eine Liebende zwischen Koketterie und tiefster Demütigung, stimmlich flexibel, absolut sicher in den exzentrischen Höhen und den fundierten Tiefen. Anna Bierwirth gibt dem ambivalenten Helden Rinaldo stimulierendes Timbre: überzeugend in der ausdrucksstarken Mittellage, faszinierend in den unangestrengten Höhen ihres kultivierten Alts. Niklas Romer überzeugt als machtbestimmter Goffredo, verleiht dem „Söldnerführer“ stimmliche Aggressivität mit eindrucksvoller sängerischer Prägnanz. Björn Bürger ist ein eher verzweifelt leidender Argante – ein ausdrucksstarker Bariton mit der bemerkenswerten Fähigkeit variabler Modulation! Stimmlich brillant das Armida-Trio: Fabienne Grüning, Anna Lucia Leone und Franziska Tiedtke interpretieren die so differenten Gefühlswelten der geheimnisvollen Orientalin.

Alle Rollen sind ausgesprochen rollengerecht besetzt – Charlotte Quadt als Eustazio, Amadeu Gois als Mago, Desiree Hall als Donna, auch die kleineren Rollen: sie alle dokumentieren den hohen Standard der Möglichkeiten einer engagierten Musikhochschule!

Im gemischten Karlsruher Publikum bestimmt der kleinere jugendliche Teil die aufgekratzte Atmosphäre – da halten sich die nörgelnden Als-ob-Experten zurück. Und über die musikalische Kompetenz und die sänger-darstellerischen Leistungen gibt es ohnehin keine Kontroversen: Das inszenatorische Konzept steht in Abwesenheit von Regisseur und Bühnenbildnerin ohnehin nicht zur plebiszitären Abstimmung.

Franz R. Stuke

 






Fotos: Thomas Jürgens