Desdemona
Edith Haller gibt der Desdemona den glaubwürdigen Charakter des unschuldigen Opfers, verleiht ihr stimmlich-bezwingende Präsenz, artikuliert Liebe, Enttäuschung, Todesangst mit einem weich-wandlungsfähigen Sopran, der vor allem in den weitgespannten Legato-Bögen anrührt und in den dramatischen Höhen elementare Leidenschaftlichkeit existentiell bedeutsam hörbar werden lässt.
Das Dilemma der Karlsruher Produktion liegt im Ansatz, „das Böse“ als allgemeines Prinzip vorzuführen, es im Alltag zu verorten. Otello, im weißen Party-Outfit, verliert dabei jegliche archetypische Tragik, wird zum überheblichen Macho und damit zum durchgeknallten Würstchen. Jago ist nicht vom Dämon besessen, sondern schlicht und ergreifend ein Arschloch, wie es in allen Organisationen vorkommt. Achim Thorwald setzt dabei weniger auf dramatische Intensität als vielmehr auf „opernhafte“ Konstellationen.
Ute Frühlings Kostüme vermitteln vage Vorstellungen einer normierten Alltags-Welt, und Christian Flören baut einen monströsen Treppenkomplex, der sich dreht und damit unterschiedliche, aber immer indifferente Räume schafft.
Lance Ryan bleibt als Otello darstellerisch eindimensional, hat offensichtlich Probleme mit den enormen gesanglichen Anforderungen und kommt nur mir viel Forcieren durch die Partie. Walter Donati gibt den Jago eher beiläufig, sein klangschöner Bariton lässt die dämonische Wucht der Rolle nur ansatzweise ahnen. Mit Cenk Biyiks Cassio und Wilja Ernst-Mosuraitis’ Emilia sind rollen-adäquate Stimmen zu hören.
Anthony Bramall geht es mit der Badischen Staatskapelle vor allem um opulenten Klang – der allerdings durch einige Einsatz-Fehler gestört wird – und weniger um in Musik gesetzte archetypische Leidenschaften.
Das dankbare Publikum im vollbesetzten Karlsruher Haus sieht und hört aufmerksam zu und applaudiert langanhaltend. Es wird klar: Der Otello ist in Karlsruhe angekommen! (frs)
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