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Fakten zur Aufführung 

FREDEGUNDA
(Reinhard Keiser)
28. Februar 2007
(Premiere: München, 8.2.07)

Bayerische Theaterakademie
August Everding
Schauspielhaus Karlsruhe
30. Händel-Festspiele 2007

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Keisers impulsive Musik

Reinhard Keiser, Zeitgenosse und Inspirator Händels in Hamburg, war einer der prägenden Meister der Oper als Ausdruck barocken Lebensgefühls. Die Neue Hofkapelle München unter dem dynamischen Christoph Hammer hat sich der historischen Aufführungspraxis verschrieben, bemüht sich vor allem um den impulsiven Klang der vielfältig-emotionalen Musik Keisers. Die Besetzung des Orchesters mit historischen Instrumenten (ohne Trompeten) ermöglicht einen durchsichtigen Klang, der sich aber immer wieder in außergewöhnlichen Effekten realisiert: wenn die Streicher etwa wie Trompetenstöße wirken. Durch die eher kurzen Arien in Keisers „Fredegunda“ mit ständig wechselnden „Affekten“ wird eine hochgradig abwechslungsreiche Musik hörbar, die für heutige Ohren eine enorme Attraktivität entwickelt!

Diese fein ziselierten Unterschiede in den Charakteren und Empfindsamkeiten der so unterschiedlichen Personen werden allerdings im Gesang des jungen Ensembles nicht recht hörbar. Zu sehr sind alle mit den Problemen der Überleitung melodischer Rezitative in die Intensität der Arien beschäftigt, mit der Intonation von halsbrecherischen Koloraturen und der Erzeugung ungewöhnlich anspruchsvoller Spitzentöne, als dass noch Kraft bliebe, dieser musikalischen Ästhetik die diffizile individuelle Charakteristik abzugewinnen.

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass Tilman Knabes manischer Regiestil solche Bemühungen auch gar nicht vorsieht. Da wird nach dem Motto „Ficken, Kloppen, Schmötker werfen“ über die Bühne gepest, da werden boulevardesk Türen geknallt - und alles in dem unbegriffenen Irrtum, dass eine irgendwie „moderne“ Bühne und aktuelle Kostüme irgendwelche Bezüge zwischen den topoi eines Werks und heutigen Konstellationen herstellen könnten. Das muss misslingen, wenn das Entscheidende fehlt: eine begründete intellektuelle Analyse der historischen Gegebenheiten und die Empathie für die Charaktere der Handlung.

Die sparsam modern-chaotische Fachwerkkonstruktion von Wilfried Buchholz liefert nicht mehr als den klischeehaften Hinweis auf Unfertig-Zerbrechendes. Die Kostüme von Gabriele Rupprecht – wie aus dem Schlussverkauf von H & M - sind hübsche Verkleidungen.

Die vom intriganten Streben nach Macht, aber auch von sexuellem Begehren beherrschten Protagonisten finden in den hochmotivierten Sänger-Darstellern eindringlichen Ausdruck: Tomi Wendt als König Chilperich, Bianca Koch als designierte Gattin Galsuinde, Johanna-Maria Zeitler als Tochter Bazina, Julian Pregardien und Sebastian Schmid als Höflinge Hermenegild und Landerich sowie Michael Kranebitter als Bruder Sigibert. Maria Erlacher gibt der „Zauberin“ Fredegunda, die mit ihren erotischen Verlockungen die Welt aus den Fugen geraten lässt, blendende Ausstrahlung und betont selbstbewusste Stimme.

Das kenntnisreich-geduldige Publikum der Händel-Festspiele nimmt die Regie-Ekstase abgeklärt zur Kenntnis, honoriert die bemerkenswerten Bemühungen des jungen Ensembles und ist beeindruckt von dem Reichtum und der demonstrierten Impulsivität der Musik Keisers! (frs)


Fotos: A.T. Schaefer