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Fakten zur Aufführung 

COSI FAN TUTTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
12. Dezember 2009 (Premiere)

Badisches Staatstheater Karlsruhe


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Ob es wirklich alle so treiben?

Draußen haben sich die ersten Schneeflocken des Jahres hinabgesenkt, drinnen aber ist leichtes Sommervergnügen angesagt. Die Mädels blättern im Frauenjournal, nippen am Cocktail und rekeln sich auf der Pool-Liege oder im sauberem Linnen des wohl behüteten Bettchens, denn nichts scheint ihr fein gefügtes Leben zu stören. Sie sind die Geschwister-Kinder einer Wohlstandsgesellschaft, in der Probleme entweder nicht vorhanden sind oder lustvoll ausgeblendet werden. Entspannt geht es also zu im Badischen Staatstheater Karlsruhe, wo Hausherr Achim Thorwald, der ab der übernächsten Saison den Heidelberger Intendanten Peter Spuhler als Nachfolger begrüßen wird, einmal mehr zeigt, wie souveräne Regiearbeit aussehen kann. Denn Thorwald setzt in Mozarts Così fan tutte („So machen’s doch alle“) nicht auf vergröberte Akzente, die dieser Oper oft mehr unterlegen wollen, als sie an philosophisch-gesellschaftlichem Gehalt hergeben will, sondern auf feinsinnige Grundierung dessen, was unser wechselvolles Lebensspiel so mit sich bringt: Gewissheit der Liebe und deren Hinterfragung; Verwirrungen und Verirrungen, aber auch Hoffnung; und die Quintessenz, dass unser Dasein seelische Verästelungen in sich birgt. Es kommt nur darauf an, was die Menschen daraus machen. In dieser Oper gibt es keine Toten, sondern das romantische Happy End. Der liebe Wolfgang Amadeus Mozart hat kurz vor seinem Lebensende auch solche Heiterkeit thematisiert, nicht nur Zorn und Grauen wie im Don Giovanni oder Todesangst wie im Requiem.

Thorwald also hält sich an das galante Geplänkel einer – scheinbar – unbeschwerten Zeit. Aber er unterlegt seinen Figuren jenen Hintersinn, der das Spiel plausibel macht. Denn Fiordiligi ist erst die leichtfertigere, die dann später als ihre Schwester dem seltsamem Charme komischer Männer erliegen wird, während Dorabella von der ewigen Liebe schluchzt, dann aber sehr schnell den Versuchungen nachgibt. Sie verkörpert jenen Typus Frauen, die Veränderung allein schon um der Veränderung willen mögen. Da spielt es kaum eine Rolle, dass ihre Verführer im Wechselspiel einer Wette mit Bart, Turban und Kutte recht unansehnlich sind. Was soll’s? Denn die Regie macht das dadurch einsichtig, dass vorher die „Offiziere“ Ferrando und Guglielmo nicht als schneidige Kerle, sondern eher als beliebige Burschen in Sandalen auftreten, wie sie im sommerlichen Park zu Hunderten auftauchen könnten. So wird die Zufälligkeit der Liebe einsichtig erzählt, und die verwöhnten jungen Damen sind völlig glaubwürdig im Wankelmut ihrer Gefühle. Den Männern allerdings fehlt am Ende tiefere Einsicht dafür, dass sie ebenfalls in Gefühlen gefehlt haben. Sie ernten unverdient, denn Dorabella und Fiordiligi sind wieder lieb und nett und keusch und züchtig.

Oben am Bühnenhimmel schaut ein weißer Putten-Amor dem geschäftigen Treiben zu, das sich im Zauber der mit kleinen, signalhaften Accessoires ausgestatteten Szene (Bühne: Christian Floeren; Kostüme: Doris Hersmann) abspielt. Die Leichtigkeit des Seins wird durch die wunderbar elegant, durchsichtig und punktgenau ausgestaltete Musik auf die zeitlos-charmante ausgestattete Bühne befördert. Am Pult steht Jochem Hochstenbach, die Badische Staatskapelle spielt in bester Mozart-Form auf, alles zwischen Sängerführung und zärtlichem Instrumentalsound wirkt passgenau und hinreißend schön. Fiordiligi wird von Kirsten Blaise mit hellem Sopran in flexiblem Timbre gesungen; Koketterie und Schmerz verkörpert sie bestens in bezaubernder Gestalt. Ihr zur Seite Sabrina Kögel, die ihrer Dorabella-Zeichnung Schwärmerei und Unbeschwertheit unterlegt und dabei ihren warmen Mezzo schmiegsam und klangschön aufleuchten lässt. Despina findet in Berit Barfred Jensen eine ideale Verkörperung: frech, agil, das Spiel forsch in Bewegung bringend. Die Herren der Schöpfung wollen diesem Terzett kaum nachstehen, wenn auch ein bisschen brav gezeigt. Bernhard Berchtold stellt mit geschmeidigem, lyrischem Tenor einen leicht naiven Ferrando auf die Bühne, Armin Kolarczyk in weicher Bariton-Formung einen Guglielmo, der vom Himmel der Selbstzufriedenheit in die Hölle des Gehörnten fällt. Kammersänger Konstantin Gorny ist ein spielfreudiger, „klassischer“ Don Alfonso von hoher Qualität.

Also: Heiteres Theater, aus sensibler Ästhetik entwickelt, in der beschaulichen Residenz des Rechts.

Eckhard Britsch









Fotos: Jacqueline Krause-Burberg