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Fakten zur Aufführung 

ARIODANTE
(Georg Friedrich Händel)
19. Februar 2010 (Premiere)

33. Händel-Festspiele
Badisches Staatstheater Karlsruhe


Points of Honor                      

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Beinahe wird alles gut

Musikalisch kann ein Auftakt zu Händel-Festspielen kaum besser ausfallen. Das Badische Staatstheater in Karlsruhe macht vor, wie es geht. Mit der Oper Ariodante von Georg Friedrich Händel; und Michael Hofstetter, ein ausgewiesener Barockspezialist, treibt am Pult der Badischen Staatskapelle die Sänger und die Instrumentalisten von einem musikalischen Höhepunkt zum nächsten. Mitreißender Schwung und sensibel ausgeleuchtete Gesangsphrasen korrespondieren prachtvoll miteinander. Das Gesangsensemble lässt keine Wünsche übrig, allen voran der Counter Franco Fagioli als Titelheld: Timbre und Koloraturen sind bestechend schön und geschliffen; sein Spiel zwischen naivem Gärtnerburschen und gereiftem, vom Schicksal zuerst gebeuteltem Liebhaber hat viele Facetten. Der junge Argentinier gilt jetzt schon als der Händel-Star und hatte zuvor in Stuttgarts Teseo-Produktion Begeisterungsstürme geerntet.

Was zeigt uns Herr Händel, was lässt uns Ausstatter-Regisseur Peer Boysen sehen? Die schöne Königstochter Ginevra, von Kirsten Blaise mit perfekten Sopran-Nuancen ausgestattet und durchaus hold anzusehen, verliebt sich in den Underdog. Der kann sein Glück kaum fassen, zumal auch der ehrwürdige König-Schwiegervater (Mika Kares mit geschmeidig volltönendem Bass) seinen Segen gibt. Aha, ja wir sind in der Barockzeit, da werden die Herrscher in der Absicht auf politische Besserung als wohlmeinend, gütig, verzeihend und großherzig beschrieben. Damit wäre die Oper schon zu Ende, gäbe es nicht den intriganten Bösewicht Polinesso (Ewa Wolak singt ihn aus charaktervollem, sauber geführtem Alt), der das Dienstmädchen Dalinda, mit Diana Tomsche glockenhell und kantenrein besetzt, in sein böses Spiel einspannt. Das Täuschungsmanöver gelingt, Ariodante will sich aus Schmerz entleiben, der König ist dem vermeintlich schuldigen Töchterlein böse; die weint bitterlich in ihrer Unschuld, wünscht sich ebenfalls den Tod, doch irgendwie schmeißt sich Ariodantes Bruder Lurcanio (Bernhard Berchtold mit samt ausgefüttertem Tenor) in die Bresche und alles wird wieder gut.

Beinahe. Denn Peer Boysen, ein Mann der prägsamen, manchmal vordergründigen Bilder, lässt die Ginevra, die jetzt doch glücklich sein könnte, in den Schlusstakten schwarz einkleiden und kommentiert per Video-Schrift einen späteren, fiktiven Lebensweg der Figuren. Alle enden irgendwie verquer, nichts klappt, während die Regie mit diesem Trick die Absurditäten von Glück und ideal-menschlichen Herrschern in der Barockoper konterkariert. Das Spiel selbst läuft in ironisierenden Bildern und Kostümen ab. Auf der Drehbühne öffnen drei wechselnde Portale (bisschen Barock-Pracht und Empire-Säulen) den Blick auf die Figuren und Szenen. Die sind bis zur Persiflage ausstaffiert, wenn etwa Polinesso wie ein gespreiztes Abziehbild eines absolutistischen Herrschers auftritt, Ariodante in einer Gärtnerschürze seinen Tagträumen nachhängt, der kantige König sich die Krone übers zottelige Haar stülpt und Hofdame Dalinda, immer zum Lieben bereit, im braven Hauskleid um 1950 daherkommt. Das ist bunt und hat durchaus einen hohen Spaßfaktor. Wo Boysen aber ernst macht, liegt er daneben. Warum lässt er Ginevra in Jesus-Pose ans Kreuz hängen, als unschuldig Gemarterte? Das ist einfach eine Nummer zu groß und deutlich deplatziert, wenn auch nicht blasphemisch wirkend.
In die Begeisterung des Publikums mischten sich denn auch einige Buhs für die Inszenierung durch Peer Boysen.

Eckhard Britsch

 









Foto: Jacqueline Krause-Burberg