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Fakten zur Aufführung 

DER TÜRKE IN ITALIEN
(Gioachino Rossini)
16. April 2005 (Premiere)

Pfalztheater Kaiserslautern

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Hintergründiger Humor

Manchmal stimmt einfach alles. Eine dieser seltenen Konstellationen durfte das Premierenpublikum des Pfalztheaters Kaiserslautern erleben. Und so rief Rossinis erstmals am Haus aufgeführter „Türke in Italien“ Begeisterung pur hervor.

Sven Severin, Wahlrömer, inszenierte als gern gesehener Gast die Opera buffa mit zwei gelungenen Kunstgriffen. Zum einen wurde die Rahmenhandlung in ein Filmstudio der 30er Jahre verlegt, zum anderen verwandelte Severin nicht nur konsequenterweise den ursprünglichen poeta Prosdocimo in einen regista, sondern lässt ihn (sein) deutsch sprechen und singen. Beide Eingriffe bekamen dem Stück wie den Zuschauern. Denn so konnte sich das Publikum voll auf ein wahres Feuerwerk an herrlichen Einfällen konzentrieren. Keine billigen Gags, keine unnötigen Ablenkungen, keine pädagogisierenden oder tagespolitisierenden Aktualisierungen. Diese Inszenierung zeichnet sich aus, weil sie beiden Übeln widersteht: fader Historientreue wie überspannter Modernisierung.

Severin erspart es seinem Publikum, als klüger erscheinen zu wollen als der Autor der Oper. Sämtliche liebevoll in Szene gesetzten Details haben dienenden, Musik und Handlung zuführenden Charakter.  Daraus gewinnt die Aufführung den Charakter spielerischer Leichtigkeit, deren Humor hintergründig und nicht aufgesetzt wirkt. Severin erweist sich einmal mehr in Kaiserslautern als Meister der Personenführung. So bietet er eine prikelnd-amüsante, umwerfend komische, nie läppische Opernaufführung, die über dem Singen das Spiel nicht vernachlässigt.

Dazu passt das exzellente, facettenreiche Bühnenbild von Helmut Stürmer, der nach längerer Pause wieder am Pfalztheater arbeitet. Das Orchester ist voll einbezogen, das verkleinerte Rossini-taugliche Ensemble sitzt gewissermaßen Halbparterre, was die beiden äußeren  Teile des Grabens der Bühne zugeschlagen sein lässt. Viel Liebe zum Detail unterstreicht das inszenatorische Anliegen. Amors Pfeil, verschossen! Der gehörnte Ehemann - er hängt die Wäsche auf. Die Protagonisten im Schlussquintett- an Marionettenfäden. Ein Raum irgendwo zwischen Babelsberg und römischen Studios.

Katja Schröder chargiert mühelos zwischen den Zeiten. Knickerbocker für die 30er, traumhafte und zeitlos klassische Phantasiestaffagen für die Personen der inneren Handlung. Helios wäre neidisch auf die Damen mit ihrem Strahlenreif. Der Männerchor zwischen Ali Babas vierzig Räubern und dem Kosakenchor, Fes inklusive. Selim in rodomontiatischer Phantasieuniform oder, geklont, levantinischem Scheichsgewand. Und erst die zauberhafte Donna Fiorilla! Auf jedem Boulevard der Welt würden sich die Männer nach ihr umdrehen in ihrem zauberhaften Frühlingsfaltensrock.

Am Pfalztheater  aber hat sich ein Rossini-Ensemble gefunden, das stimmlich wie mimisch mehr als überzeugte. Allen voran Carmen Acosta als Donna  Fiorilla. Verführerisch, trotzig, sinnlich, mal verunsichert, mal souverän, glücklich wie zornig, nichts, was sie nicht in Stimme und Mimik überzeugend übergebracht hätte. Welch herrlicher, sicherer Koloratursopran, über den die auf Teneriffa lebende Spanierin verfügt.  Welche Erotik, die diese schöne Frau  ausstrahlt, und so verstehen lässt, warum (mindestens) drei Männer sich um sie reißen. Idealbesetzung! Selim, dargestellt von Francesco Facini. Der internationale Star mit der wunderbaren, klaren Bassstimme, der so viel Erfahrung einbringt, füllte seine Rolle mit unglaublicher Verve aus, als spielte er den Türken mit dem Feuer des Ersten Mals. Alexis Wagner als gehörnter Ehemann Don Geronio souverän. Er gehört zu den Mitgliedern des Lauterer Ensembles, von denen Insider von Saison zu Saison befürchten, dass er abgeworben wird.

Die Entdeckung des Abends: Jungtenor und Gast Tilman Lichdi, der ab der kommenden Saison in Nürnberg engagiert sein wird. Rossinis hohe Koloraturen erfordern eine klare, feine Steuerung, eine ausgefeilte Stimmtechnik, die sich bei ihm mit einem außergewöhnlichen Belcanto vereinen. Barbara Bräckelmann  überzeugte stimmlich wie darstellerisch voll als Zaida, auch sie verfügt über eine außergewöhnlich schöne Stimme. Albazar rief wiederholt Lachsalven im Publikum hervor, glänzend  gespielt vom Erzbuffo Mario Prodrecnik. So setzt man Akzente in einer Nebenrolle. Severin belohnt ihn mit einer so im Original nicht vorgesehenen, eigenen Arie als Zugabe. Auch hier handwerklich perfekt, wie der Regisseur subtil einen Spannungsbogen zuvor aufbaut. Last not least Dorin Mara, der deutsch singende Prosdocimo. Selten hat man den Rumänen  in Kaiserslautern so voller sprühender Spielfreude erlebt wie an diesem Abend. Imponierend, wie er die gewiss nicht leichte Severin-Sprache beherrschte. Stimmlich stets voll auf der Höhe.

Der Herrenchor fügte sich nahtlos der Gesamtleistung ein. Von Ulrich Nolte bestens einstudiert, den Frauenchorpart in der Zigeunerszene von den Tenören mit übernommen, kam die spritzige, lebensfrohe und temporeiche Musik Rossinis voll zum Ausdruck. Wenn es im Südwesten Deutschlands einen international anerkannten Rossini- Dirigenten gibt, dann ist es Generalmusikdirektor Francesco Corti. Bereits nach der Ouvertüre war jedem Rossini-Liebhaber klar, dass ein großer Abend auf  den Hörer wartete. Die Tempi, Klangvolumina, Feinschliff, einfach alles stimmte. Alleine Corti und das Orchester würden einen Besuch der Aufführung lohnen machen.

Das Publikum ging begeistert mit. Dankbar quittierte es die Leistungen auf der Bühne mit häufigem, starkem Zwischenapplaus. So viel gelacht, gejubelt und beklatscht wurde im Pfalztheater schon lange nicht mehr.

Frank Herkommer