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Fakten zur Aufführung 

SPUK IM HÄNDELHAUS
(Eberhard Streul)
28. November 2009

Pfalztheater Kaiserslautern; Werkstattbühne


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Ein tierisches Vergnügen

Bandabsperrungen, die zwei barock gekleidete Musizierende samt Händelperücke auf ihren Museumsinseln umgeben. Vorne rechts das Klavier, Peter Breunig übernimmt zusätzlich die Partie des kurzfristig ausgefallenen Flötisten Norbert Gamm, keiner hätte es gemerkt, bliebe nicht auf der hinteren Plattform einer der beiden Stühle frei. Auf dem anderen Cellistin Marcia Cinato. Schon spielen sie auf. Wir werden hineingezogen in eine Spannungsspirale wie bei Nachts im Museum. Kammermusik vom Feinsten, eingängig, heutig, die Dramatik und Komik des Stückes aufnehmend. Mitten im Saal der verkleinerte Nachbau der Originalbühne der Londoner Aufführung der Alcina. Eine Art Kasperletheater, dessen Seiten ausklappen können wie bei einem Faltkarton. An den Museumswänden vis-à-vis die Gemälde „des größten Componisten, der je gelebt hat“ (Zitat Beethoven) und Maria Strada, seine erste Alcina und unerwidert in Händel verliebt.

Chris, der Einbrecher und Andrea, seine Verlobte, die kostbare Geige auf der Stele Objekt ihrer Begierde. Die Kinder im Publikum, sie stellen zwei Drittel der Besucher und sind zwischen drei und zehn Jahre alt, halten die Luft an vor Spannung: Wenn sich die beiden vor den Fenstern abseilen, Schattengestalten, der Lichtstrahl der Helmlampen scheint vor in den Alcina-Raum des Museums und kündigt den Einbruch an. GSG 9-Assoziationen beabsichtigt. Aus einer verzwackten, Mythologie überladenen Operngeschichte macht Autor Eberhard Streul eine magisch-phantastische, aufregend spannende, vor Humor überschäumende Geschichte, so liebevoll, so detailgenau, so kind- und erwachsenengerecht inszeniert von Mareike Zimmermann, dass man sich schwer entscheiden kann, als Erwachsener über den köstlichen Humor zu lachen oder mit den Kindern um den zum Bock mutierten Einbrecher zu zittern. Unterstützt wurde ihre Arbeit von Dramaturg Axel Gade.

Ein Bobby, mit Hochwasser und Ringelsöckchen, der in einen Meister Lampe verwandelt wird, Hasenzähne, Fusselpantoffeln, Stummelschwänzchen und vegetarische Neigungen eingeschlossen, irre komisch dargestellt von Theaterpädagoge André Uelner, der als Countertenor überrascht. Alle Kostüme zum Verlieben, das Bühnenbild beeindruckend und komplex, für beides verantwortlich Isabel Graf. Ein Einbrecher (bei Händel die Rolle des Ruggiero), der den Zauberring der Zauberin Alcina trägt, von der Bühne verschwindet und die Schatten seiner Widderhörner lassen die aufgeregten Kinder ahnen, in welches Tier ihn die betörende, böse Schöne verwandelt hat. Steffen Schanz legt den ganzen Charme seines differenzierten, gebildeten Tenors in die Rolle des Chris. An seiner Seite Katrin Sander, eine Andrea (Bradamante), die glaubhaft das natürliche Gegengewicht zur Glamourwelt der Alcina darstellt, der am Ende wie (und als) der Strada die Vergeblichkeit ihrer Liebesmühen aufgeht. Stimmlich eine überaus ansprechende, Händel gerecht werdende Leistung. Ein Museumsdirektor, der nur notdürftig seine Hahnenfüße unter dicken Socken und seine Kehllappen unter einem Pflaster verbergen kann. Köstlich, wenn Daniel Böhm in Erregung zu gackern beginnt und den Flügelschlag andeutet. Eine Paraderolle, in der die Bonhomie des Künstlers zum Tragen kommt, seine Belcanto-Baritonstimme schmeichelt sich in die Kinderseelen. Was für eine Dämonie die sonst eher bezaubernde als verzaubernde Arlette Meißner ausstrahlt! Mit ihrer Zauberkugel, mal Kopfbedeckung, mal Ringschale, mal Gral, mal Hexenapfel. Sie singt Händel, als sei sie dafür geboren. Sie spielt, dass sie die Kinder derart in den Bann schlägt, dass man die Spannung, die Empörung eine Ahnung, wie böse die Welt sein kann, im Theater zu spüren ist.

Ein Publikum, das fasziniert und diszipliniert ist. Ein Nachmittag, der einpflanzen kann, was unsere Welt braucht: Liebe zum Theater.

Frank Herkommer









 
Fotos: Pfalztheater Kaiserslautern