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Fakten zur Aufführung 

DON PASQUALE
(Gaetano Donizetti)
7. März 2008 (Premiere)

Pfalztheater Kaiserslautern


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Pate Pasquale

Halb Ristorante, halb Trattoria, Hehlerware von der Stange oder aus der Fast- Food-Tüte, ausgerechnet Zero- Tolerance-Rudi huldigende T- Shirts, der unvermeidliche dauerlaufende Monitor über dem Tresen, illuminierte Kitschmadonna und gipsgeformter Michelangelo-David, korrupte Polizisten und sonnenbrillenverdunkelte mafiose Gestalten, Mareike Zimmermann führt mit ihrer fantasievollen Kaiserslauterer Inszenierung von Donizettis Don Pasquale in die Welt der God Fathers mitten ins zeitlos präsentische New York. Ihre aufgepeppte Parabel auf paternalistische Machtansprüche nimmt sich selbst nicht zu ernst und lässt der angelegten Verschmitztheit, den coup de vie, der fintenverliebten Schläue und strategischen Aufgebufftheit, der mobilità des Frauenherzens, mit einem Ausdruck: der Italianità freien Lauf. Und sie kennt die Ehrencodizes: Betrügen darf man, die eiserne Regel der ehrenwerten Gesellschaft, nur nicht sich erwischen lassen. Sonst droht der nasse Klumpfuß.

Die Übertragung gelingt. Die erzählte Geschichte erscheint glaubwürdig und kohärent zum Libretto. Die Charaktere werden stimmig gezeichnet, übersteigen ihre holzschnittartige Grundausstattung, wie sie der vorbildgebenden commedia dell'arte entspricht. Manche Nebenaktivitäten vor dem Lokal stellen vor die Wahl, sich auf den Gesang oder die äußer(lich)en Gags zu konzentrieren. Wenn sie schon nicht stören, würde ihr Fehlen niemandem auffallen oder irgendeinen sie vermissen lassen. Insgesamt eine herrlich leichte, in ihrer Aktualität wunderbar zeitlose, intelligente, ins Spielen verliebte Inszenierung.

Mit Anna Kirschstein (Bühne) und Dietlind Rott (Kostüme) steht Mareike Zimmermann geballte Frauenpower zur Seite. Sowohl das ausgefeilte Bühnenbild als auch die verspielten Kostüme, vom Boxerhabit für Leichtgewicht Ernesto bis zum Silberkettenluden, die beschriftete Toque und Norinas chaplinesk eingesetztes Brautkleidaccessoir tragen zu einem stimmigen Gesamteindruck bei.

Andreas Hotz gelingt mit seinem Dirigat, dem Bühnengeschehen entsprechende Spielfreude, differenziert unterschiedlich gefärbte Stimmungen, Esprit, Witz, Seele und rasantes Tempo beizugeben, ohne der bei Donizettis wunderschönen Musik immer latent vorhandenen Versuchung instrumentaler Sonderwege und Eigenlebens zu erliegen. Hin und wieder zu laut, deshalb wohltuend und den Gesangssolisten entgegen kommend, dass im Vorfeld die Zahl der Blasinstrumente verringert wurde.

Stefan Sevenich, Gast vom Münchener Gärtnerplatz, spielt und singt einen überragenden Don Pasquale. Erzkomödiantisch und mit einem ausgereiften, kultivierten, strahlend-männlichen Bariton spielt er virtuos auf der Rollenklaviatur, einmal gutmütig und arglos, dann mit anger management Problemen, entladen in einer MG-Salve. Er kann sich ausschütten vor Lachen, wie er sich übertölpeln ließ, um im nächsten Augenblick eiskalt eine Exekution anzuordnen. Erleichtert, die sonderbare Betschwester wieder los zu sein, in die er zuvor so schnurrend verliebt war.

Daniel Böhm ist großartig in der Rolle Malatestas. Schauspielerisch überzeugend, wie er zwischen Distanz ohne Subalternalität hier, Empathie und verschwörerischer Nähe dort wechselt. Wenn Marcel Proust recht hat, dass sich mit Musik ein Geschmack, ein Geruch, eine Farbe verbindet, dann löst sein hoch präsenter Belcanto-Bariton die Vorstellung eines sämigen, goldenen französischen XP-Cognacs aus.

Die herrliche Carmen Acosta als hinreißende Norina: glasklar setzt sie mit ihrer Ausnahmestimme die Töne, ihre Koloraturen durchlaufen mühelos die höchsten Höhen. Gekonntes Tremolieren, ihr dramatischer Koloratursopran trägt genauso gekonnt lyrische Nuancen vor, anmutig und mit porzellanzarten Tönen Die Acosta entfaltet an diesem Abend einen ganzen spanischen Fächer von Gefühlen, stimmlich wie darstellerisch.

Angesichts dieser drei Schwergewichte hat es ein Leichtgewicht wie ein Kammertenor nicht leicht zu bestehen. Garrie Davislim dürfte seine Rolle als Ernesto in erster Linie seinem unbestreitbar glänzenden Aussehen zu verdanken haben. Das genügt leider nicht immer. In diesem Kontext und Kontrast wirkt seine durchaus schöne Stimme zu eng. Ausgerechnet ihn durch eine Glasscheibe bei seiner Hauptarie vom Publikum zu trennen, gehört zu den weniger überzeugenden Einfällen.

Das Publikum glänzt in überraschend großer Zahl durch Abwesenheit. Ob es an der ungewohnten Freitagszeit lag? Auch die Premierenfeier schwach besucht, bis an die Grenze der Unhöflichkeit gegenüber den Künstlern. Der Applaus überaus freundlich, enthusiastisch für Stefan Sevenich.

Frank Herkommer

 




Fotos: Pfalztheater Kaiserslautern