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Fakten zur Aufführung 

DIE FLEDERMAUS
(Johann Strauß)
20. Oktober 2007 (Premiere)

Pfalztheater Kaiserslautern


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Champagnerprickeln

So muss Operette sein. Zumal wenn es sich um die Mutter aller „kleinen Opern“ handelt, die unerreichte, chargierende Grenzgängerin zur „großen“, Straußens Fledermaus. Aron Stiehl entstaubt erfolgreich am Pfalztheater die Bekannte-Allzubekannte mit einer konsequenten Strichfassung und schafft damit Räume für ein Feuerwerk von champagnerlaunigen, spritzigen Regieeinfällen. Genug, um damit selbst jene überdimensionale Moet et Chandon füllen zu können, die zum guten Schluss einschwebt und bengalisches Feuer versprüht. Die Inszenierung bettet von Anfang an den später auftretenden, ewig wortwitzelnden, zeitlos gekonnt kalauernden Frosch ein in eine Dauerkaskade von geistreichen, tiefe Bonhomie erkennen lassenden Pointen, verhindert so eine abgestandene k.u.k-Klamauk- und Klamottenschmonzette. Stattdessen durchgängig Humor als das, was er charakterformend ist: augenzwinkerndes Blicken in den Spiegel der eigenen Unzulänglichkeit, dabei ebenso ertappt wie vom Verstellungszwang befreit lachen und sich eingebunden wissen in die Gemeinschaft der Unvollkommenen, der Strizzis und der Miezis.

Schon der Anfang: Während der Ouvertüre bei einem zum Walzertakt passenden dreiviertel herabgelassenen Tüllvorhang erzählen (Ballett-)Beine frei nach Robert Musil ganze (erotische) Geschichten. Über allem schwebt andeutungsschwanger die Fledermaus, jeder schiebt dem anderen den Ball zu, der gekränkte Dr. Falke steht Kopf, wie die ganze Welt, wenn der Dreivierteltakt erklingt. Bevor dann zum ersten Akt Alfred den Stephansdom aus der Sicht des Fallschirmspringers bestaunt, um bei der den Pettycoat öffnenden Rosalinde im wahrsten Sinn des Wortes zu landen. Das Ganze auf dem Eisbärfell. Nie war diese Glücklich-ist-Szene erotischer.

Alles bewegt sich, die Welt eingetaucht in Champagnerfarben. Das Publikum wird einbezogen in die schwipsmutige Veralberung der Konventionen, Happening mit Stretchlimousine, und alle erheben sich tatsächlich bereitwillig von ihren Plätzen, um Graf Orlofsky die genötigte Reverenz zu erweisen.

Ballettdirektor Stefano Giannetti lässt die Fledermaus flattern, schwingen und walzern, Polka und Radetzky-Marsch von seinem Ballett illustrieren. Selbst der Chor kann sich, choreographisch gewollt, dem Rhythmus nicht entziehen (wie immer vorzüglich eingestimmt von Ulrich Nolte). Deliriumsentsprungene Vampire, die nach dem Biss an Franks Hals trunken torkeln. Giannetti reicht an diesem Abend Champagner für die Augen.

Das von Andreas Wilkens entworfene Bühnenbild löst ein, was die Inszenierung Stiehls verspricht. Von der blauen Stunde im Schatten des Steffel bis zum Sternenhimmel, von der Atelierwohnung bei Eisensteins bis zum Wellblechknast, alles stimmt und stimmt ein, damit einem beim Sehen nicht schon das Hören vergeht.

Dietlind Konolds Kostüme verzaubern. Ob Tatarenorloff oder Heffner-Haserln beiderlei Geschlechts, ob Frack oder Ballkleid, schtetlbärtige Chassiden im Knast - müheloser Zeitraumwechsel ohne Bruch, Liebe zum Detail und zur bunten Vielfalt zeichnen ihre gelungene Arbeit aus.

Wie ernst der Regisseur die Fledermaus nimmt, zeigt sich auch in der Auswahl des Ensembles: Das Beste, was das pfälzische Musiktheater aufzubieten hat. Adelheid Fink überragend als Rosalinde. Sie genießt sichtlich die urkomischen Anteile ihrer Rolle, die Salve an doppelten Botschaften und den Endsieg weiblicher List. Die Fink gibt dem Facettenreichtum der Partie mit ihrer weiten Stimme klaren, eindeutigen Ausdruck. Steffen Schantz in der Rolle Gabriel von Eisensteins: beeindruckend locker, die gewohnt schöne Stimme weich und wohlklingend, als tauche sie auf aus einem Champagnerbad. Alfred: Urkomödiantisch Hans-Jörg Bock, seine Stimme setzt klare und starke Akzente, ohne dabei an Strahlkraft zu verlieren. Köstlich Geertje Nissen in der Hosenrolle des Prinzen Orlofsky. Ihr Pass verrät vielleicht ihr Geburtsdatum, nicht aber ihr Alter. Ewig jung, juxbereit, stimmpräsent. Adele findet in Arlette Meißner ihre ideale Verkörperung: schön, raffiniert, ungemein sexy, erotische, jubelnde Stimme. Einfach hinreißend! Daniel Böhm verfügt über eine der schönsten Baritonstimmen unserer Zeit. Das stellt er als Dr. Falke einmal mehr unter Beweis. Wenn Regisseure (wie Stiehl) erkennen, dass alles Alberne ihm und seiner Ausstrahlung abträglich sind, steht einer großen Karriere nichts im Wege. Alexis Wagner rundet den vorzüglichen Eindruck des Ensembles in der souverän vorgetragenen Rolle des Gefängnisdirektors Frank ab. Pikant, dass im wahren Leben Adelheid Fink seine Ehefrau ist.

Viel belacht die beiden vorzüglich besetzten Sprechrollen: Klaus Hesse als Slibowitz schluckender Frosch und Snorri Wium als stotternder Advokat Dr. Blind. Tänzerische Leichtigkeit bringt Felicity Hader als Adeleschwester Ida ein. Dmitri Oussar dient dem Grafen in russischer Originalfärbung.

Andreas Hotz ist ein ernster, hochbegabter junger Mann, den man selten lachen sieht. Ein Zelot der Oper. Umso erstaunlicher, mit welcher Leichtigkeit und Bravour er das Orchester dirigiert, Straußens Tiefgang ebenso Klang verleiht wie der herrlichen Leichtigkeit und Beschwingtheit. Bei Hotz stimmt wieder einmal Hölderlin: Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendige.

Das Premierenpublikum macht alles mit, lässt sich sogar von den Sitzen reißen und tänzelt nach langem, begeistertem Applaus strahlend aus dem Theatersaal, als habe man mindestens zwei Glaserl Champus bereits intus.

Frank Herkommer

 


 
Fotos: Pfalztheater Kaiserslautern