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Fakten zur Aufführung 

ZAR UND ZIMMERMANN
(Albert Lortzing)
4. September 2010 (Premiere)

Theater für Niedersachsen (TfN), Stadttheater Hildesheim

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Zarnopoly

Dieses Wort – neu erfunden für die Neuproduktion von Lortzings Zar und Zimmermann am Stadttheater Hildesheim – klingt nicht nur nach einer dem Stück angepassten Variante des beliebten Gesellschaftsspiel Monopoly. Das ist es auch. Regisseur Werner Pichler und sein Ausstatter Steffen Lebjedzinski nehmen das Genre Spieloper beim Wort, machen aus der Geschichte um den als Zimmermann verkleideten Zaren ein Gesellschaftsspiel im übertragenen Sinn des Wortes und lassen die Geschichte auf einem großen, die Bühne ganz einnehmenden Spielbrett stattfinden. Statt den beim Monopoly üblichen Straßennamen gibt es da Felder wie „Werft“ und „Hafen“. In der Mitte des Spielfeldes fehlen auch die obligatorischen Karten mit dem großen Fragezeichen nicht – und auf der Rückseite stehen Kommentare zur Handlung, die im entsprechenden Moment aufgedeckt werden. Und dabei sind auch einmal Ironie und Augenzwinkern im Spiel, die das Stück, die Geschichte und auch die Inszenierung selbst betreffen. Dank überwiegend sehr präzise gesprochener Dialoge zwischen den Nummern wird die Handlung gut verständlich und damit auch gewisse Verworrenheiten und Lücken. Hier geht es zu einem guten Teil um ein Spiel aus Irrungen und Wirrungen, für die politische und historische Bezüge kaum mehr als eine Folie bieten. Werner Pichler erzählt zwar nicht unbedingt und geradeaus die Geschichte der Oper, liefert dennoch einen überzeugenden Umgang mit einem Werk und einem Genre, das oft als zu biedermeierlich und spießbürgerlich abgetan wird und daher inzwischen ein Schattendasein auf deutschen Opernbühnen führt. Spieloper ist hier beim Wort genommen – und das funktioniert.
Für die insgesamt hohe musikalische Qualität des Abends bürgt Hildesheims Opernchef Werner Seitzer. Mit dem, von kleinen Ungenauigkeiten abgesehen, sehr klar und genau intonierenden Orchester des TfN sorgt er für eine leichte, transparente und klanglich ausgewogene Wiedergabe der Partitur. Lortzings größtes musikalisches Vorbild war Wolfgang Amadeus Mozart. Seine Partituren sind voller Stücke und Passagen, die in der Tat eine an Mozart erinnernde Delikatesse und Luftigkeit in Stimmführung und Instrumentation zeigen. Da liegt jeder Ton offen und verlangt höchste Präzision. Dem spürt Seitzer mit seinen Musikern mit großer Spielfreude nach. Ebenfalls in sehr guter Form präsentierte sich der Chor, der ausgesprochen homogen und in den Stimmgruppen gut abgestimmt agierte.
Regine Sturm gibt die Marie mit schön aufblühenden, lyrischen Soprantönen. Ihr Onkel Van Bett ist von der Regie leider etwas zu sehr als Karikatur angelegt. Uwe Tobias Hieronimi macht das durch seine Bühnenpräsenz aber fast vergessen. Stimmlich liegen ihm, der vom lyrischen Baritonfach kommt, die tiefen Lagen der Partie – noch? – nicht ideal in der Stimme, gleichwohl überzeugt er als präsenter Charakterdarsteller. Timothy Sharp als Zar inkognito und Jan Kristof Schliep als abtrünniger der russischen Armee finden nach zaghaftem Beginn zu stimmlicher Form. Aufhorchen lässt Christian Salvatore Malchow als Marquis de Chateauneuf mit schön timbrierten, kräftigen Tenortönen. In den kleinen Partien runden Dorothee Schlemm als Witwe Browe, Piet Bruninx als Lord Syndham und Daniel Dropulja als Admiral Lefort das Ensemble ab.
Das Publikum war mit Lortzings Oper offenbar nicht durchweg gut vertraut und klatschte im ersten Akt immer dann, wenn sich Pausen boten, mitten in die Arien und Ensembles. Nach der Pause hatte sich das gelegt, die Zuschauer folgten der Aufführung mit hörbarer Freude und applaudiertem an Ende einhellig herzlichen Beifall.

Christian Schütte

 









 
Fotos: Andreas Hartmann