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Fakten zur Aufführung 

THE RAKE’S PROGRESS
(Igor Strawinsky)
8. Mai 2010 (Premiere)

Stadttheater Hildesheim


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Wie ein Wüstling sein Leben verspielt

Tom Rakewell ist ein Träumer, der es wissen will. Die Anstellung, die ihm sein zukünftiger Schwiegervater Trulove zu vermitteln versucht, ist ihm zu wenig und zu langweilig. Da kommt es gerade recht, dass ein Mann mit Namen Nick Shadow ihm eine einträgliche Erbschaft verheißt – wenn er mit ihm nach London gehe, um dort die Geschäfte eines Onkels weiterzuführen. Das ist eine große Verlockung, und Rakewell stürzt sich zusammen mit seinem zwielichtigen Begleiter ins Londoner Leben. Eine moderne Version von Faust und dem Teufel scheint das zu sein, die Igor Strawinsky da in seiner 1951 uraufgeführten Oper schafft. Zur Zeit der Uraufführung siedelt Regisseur Uwe Schwarz die Geschichte an, ein spießiges 50er-Jahre Wohnzimmer, das Tom nichts mehr gibt. Stattdessen versinkt er im reizüberfluteten London und scheitert schließlich daran. Uwe Schwarz erzählt diese Geschichte in ebenso klaren wie fantasievollen Bildern, lässt sich von seiner äußerst inspirierten Ausstatterin Dorit Lievenbrück eine Drehscheibe bauen, die als allzu bürgerliches Wohnzimmer ebenso taugt wie als drall-farbenfrohes Bordell, als wundervoll schrill aufgeblasene Sphäre der Türkenbab und, vor allem, gegen Ende als Raum, in dem sich verschiedene Räder gegeneinander drehen: einer der stärksten Einfalle des Abends in der Szene, als Tom Rakewell erfahren muss, dass ihm nur noch der Verkauf seiner Seele an Shadow bleibt. Uwe Schwarz schafft es mit großem Können, die Geschichte punktgenau zwischen Tragik und Komik zu verorten.

Gespielt wird die deutsche Übersetzung von Fritz Schröder. So sehr die Überzeugung ihre Berechtigung hat, dass ein Werk nur in der Originalsprache seine volle Wirkung entfaltet, so wenig fällt hier ins Gewicht, nicht den englischen Text zu hören. Das liegt zu einem großen Teil an den hoch engagierten und ambitionierten Sängerdarstellern des Hildesheimer Ensembles. Jorge Garza ist ein ebenso leichtgläubiger wie am Ende tragisch an sich selbst scheiternder Tom Rakewell, sein Tenor kling dabei nicht immer ganz frei, was seiner Charakterzeichnung der Figur aber keinen Abbruch tut. Uwe Tobias Hieronimi ist als ihn teuflisch umgebender Nick Shadow stimmlich ungemein präsent und legt seine Rolle gekonnt zwischen mephistophelischer Schläue und Schmierenkomödie an. In ihrer Suche nach dem geliebten Tom und vor allem nach einem geordneten Leben, ohne Exzesse und Vergnügungssucht, ganz in sich gekehrt gibt Antonia Radneva eine anrührende Anne. Sarah Ferede ist stimmlich wie darstellerisch eine herrlich dralle Türkenbab, die kleineren Partien sind mit Ernst Garstenauer (Trulove), Verena Usemann (Mother Goose) und Jan Kristof Schliep (Sellem) rundum gelungen besetzt.

Achim Falkenhausen führt das Orchester im Lauf des Abends immer sicherer und mit großer Präzision durch die Partitur, die klanglichen Eruptionen, die dann zu hören waren, als sich die Musiker ganz frei von jeder Premierennervosität gespielt hatten, waren höchst eindrucksvoll.

Dem Hildesheimer Haus ist damit nicht nur ein weiterer beglückender Theaterabend gelungen, sondern auch eine mehr als respektable Aufführung dieses doch etwas sperrigen Stücks. Es bleibt nur zu wünschen, dass die noch folgenden Aufführungen etwas besser besucht sind als die Premiere, der das Publikum am Ende begeisterten Beifall spendete.

Christian Schütte

 







 Fotos: Andreas Hartmann