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Fakten zur Aufführung 

LE NOZZE DI FIGARO
(Wolfgang Amadeus Mozart)
19. Dezember 2009 (Premiere)

Stadttheater Hildesheim
Theater für Niedersachsen


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Spiel zwischen den Zeiten

Nach dem erfolgreichen Start mit Richard Wagners Meistersingern hat das Stadttheater Hildesheim zu seinem 100. Geburtstag für die zweite Premiere der Jubiläumssaison gleich zum nächsten großen, klassischen Werk des Repertoires gegriffen – Mozarts Nozze di Figaro. Allein der räumlichen Bedingungen wegen erwies sich das als gute Entscheidung. Der vergleichsweise kleine Zuschauerraum bietet ohnehin schon einen besseren Rahmen für Mozarts Komödie als manch anderes große Haus, und der angehobene Orchestergraben sorgte zudem für eine vorbildliche Abstimmung zwischen Bühne und Graben.

Regisseur Bruno Berger-Gorski erzählt die Geschichte gerade heraus, mit manchmal allzu konventioneller Personenführung. Von seinem Bühnenbildner Daniel Dvořák hat er sich einen stilisierten Rokoko-Saal bauen lassen, der die vier Akte über als Rahmen bleibt. Die Kostüme (Steffen Lebjedzinski) entstammen dagegen unserer Zeit, werden nur, je mehr sich die Geschichte ihrer finalen Zuspitzung nähert, immer mal wieder gegen ebenso stilisierte Rokoko-Gewänder nebst passender Perücken eingetauscht. Dieses Spiel zwischen den Zeiten, die Abgrenzung der „jungen wilden“ Figaro und Susanna von Graf und Gräfin kann so sicher funktionieren. Leider geht das hier nur bedingt auf, was sicherlich am größten Manko der Aufführung liegt. Hildesheim hatte in der Vergangenheit durchaus italienisches Repertoire in Originalsprache gebracht, warum jetzt die Entscheidung für die sprachlich recht veraltete deutsche Übersetzung von Peter Brenner fiel, vermag nicht recht einzuleuchten. Diese Sprache ist denkbar weit weg von uns heute, auch trotz behutsamer Aktualisierungen. Vor allem aber wirkt sie gerade in den Rezitativen allzu hölzern und verhindert das hier so elementare locker-leichte Parlando. Obendrein wurden die Rezitative von einem Klavier, nicht von Cembalo oder Hammerklavier begleitet. Ob das eine Entscheidung im Sinne der Aktualisierung des Stoffes war, sei dahingestellt, musikalisch geht dieses Konzept jedenfalls nur sehr bedingt auf, steht das Klavier doch viel mehr im Vordergrund als das Cembalo.

So schade es um diese Schwachstellen war, so fielen sie dennoch nicht allzu schwer ins Gewicht. Denn Hildesheim hat einmal mehr ein Ensemble von hohem stimmlichem Niveau aufgeboten. Antonia Radneva gab mit ihrem weichen und dunkel timbrierten Sopran, der durchaus schon über dramatische Durchschlagskraft verfügt, eine angemessen aristokratische, dabei sehr sensible Gräfin. Ihr zur Seite bot Stephanie Elliott mit ihrem leichten, klaren und hell timbrierten Sopran einen bestens abgestimmten vokalen Gegensatz, gab ein keckes Rollenporträt einer selbstbewussten jungen Frau, die die Fäden in der Hand zu halten weiß. Verena Usemann als Cherubino fiel in ihrem Kostüm als Reinkarnation Michael Jacksons ein wenig aus dem Rahmen. Ob dahinter der Gedanke steht, die Hosenrolle als Wesen zwischen den Geschlechtern anzulegen, als Hermaphrodit gleichsam – in jedem Fall sang Verena Usemann den Pagen mit ihrem klangschönen, üppigen Mezzo ungemein vital und bestätigte so den guten Eindruck, den sie in den Meistersingern schon in der kleinen Rolle der Magdalene hinterlassen hatte.

Timothy Sharp ist schon optisch ein wunderbar blasierter Graf, der verstehen macht, warum ihm die Frauen zu Füßen liegen, Stimmlich läuft er im Lauf des Abends zu immer größerer Form auf, singt wunderbar seine von Selbstzweifeln geprägte Arie im dritten Akt. Roman Tsotsalas geht dagegen mit teilweise etwas zu viel Vorsicht durch die Partie des Figaro. Geschmackssache ist, ob die Partie wie hier mit einem Bariton besetzt werden sollte, der sich in Klang und Farbe der Stimme nicht wesentlich vom Grafen absetzt, oder doch eher mit einem ausgesprochenen Bass.

Das übrige Ensemble wird kompetent und spielfreudig ergänzt durch allen voran Ernst Garstenauer als Bartolo und Jan-Kristof Schliep als Basilio, aber auch von Doreen de Feis als Marcellina, Michael Farbacher als Antonio, Franziska Ringe als Barbarina und Klaus-Dieter Jüngling als Don Curzio.

Werner Seitzer hatte sein Orchester in der Ouvertüre noch nicht bestens im Griff, einige Wackler in Intonation und Einsätzen trübten den Eindruck da noch. Abgesehen von kleinen Unstimmigkeiten im weiteren Verlauf des Abends hielt Seitzer dann aber die Fäden sicher und souverän in der Hand, entlockte seinen Musikern teilweise sehr schöne Instrumentalsoli, die ausgewogene Balance zwischen Musikern und Sängern hatte er gewohnt sicher im Griff.

Das Publikum feierte vor allem die Solisten und Werner Seitzer mit großem Beifall, das Regieteam wurde ebenso freundlich empfangen.

Christian Schütte

 







 
Fotos: © Andreas Hartmann