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Fakten zur Aufführung 

ARTEMISIA
(Francesco Cavalli)
26. Juni 2010

KunstFestspiele Herrenhausen, Hannover


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Gelungene Wiederentdeckung

Francesco Cavalli war in der Nachfolge Monteverdis einer der erfolgreichsten Opernkomponisten Italiens. Obwohl bis heute gut 30 seiner Opern überliefert sind, ist das Repertoire derjenigen, die aufgeführt werden, mehr als schmal. Abgesehen von seiner wohl populärsten Oper La Calisto sieht es an den Musiktheaterbühnen in aller Regel karg aus – und bleibt so spezialisierten Ensembles vorbehalten.

Zum Abschluss der ersten KunstFestspiele in den Herrenhäuser Gärten in Hannover gastierte das italienische Ensemble La Venexiana mit Cavallis 1657 in Venedig uraufgeführter Oper Artemisia. Diese Oper galt lange Zeit als verschollen, wurde erst in den 1960er Jahren wiederentdeckt und liegt jetzt in einer Neuausgabe vor, die der Musikwissenschaftler Hendrik Schulze im Bärenreiter-Verlag herausgegeben hat. In dieser Fassung spielt La Venexiana die Oper zum ersten Mal.

Die Handlung ist reichlich verworren, ausgehend von der Titelfigur entspinnt sich ein munteres Spiel aus Liebschaften, Standesdünkel und gesellschaftlichem Behaupten. Artemisia als Vertreterin des Adels und Artemia als Repräsentantin des unteren Standes, der als Vasallen lebt, stehen sich dabei gegenüber, dazu gibt es die entsprechenden Herren Meraspe bzw. Ramiro. Nicht immer treten die auftretenden Figuren in einer wirklichen Beziehung zueinander, die Handlung ergibt keine logische Dramaturgie – in ihren Emotionen scheinen die Figuren dann aber wieder vereint, bis hin zu Artemisias getötetem Gatten Mausolo, der als Geist aus dem Jenseits auch seine Stimme erhebt und über allem zu wachen scheint.

In der prachtvoll-barocken Galerie in den Herrenhäuser Gärten entwirft Chiara H. Savola auf einem Podest, in dessen Mitte die Musiker sitzen, nur durch neben- und hintereinander versetzte weiße Stoffbahnen, die, nebeneinander betrachtet, die Silhouette eines Hauses ergeben, mit wenigen, aber – auch durch stimmungsvolle Lichteffekte – wirkungsvollen Mitteln einen Raum, in dem sie das Ensemble zu mienen- und bewegungsstarkem Spiel animiert. Dass das Ergebnis eher eine halbszenische Aufführung ist, fällt ob der Spielfreude, mit der sich alle einbringen, nicht auf, scheint sich gar als unmittelbare Konsequenz aus dem Raum zu ergeben.

La Venexiana wurde geleitet von Claudio Cavina, der selbst eine erfolgreiche Karriere als Countertenor vorzuweisen hat und das Ensemble 1996 gründete. Der Stil des Musizierens ist ganz auf die Entfaltung der Stimmen konzentriert, die äußerst kompetenten Instrumentalisten sorgen für unauffällige Begleitung im besten Sinne des Wortes. Und was an instrumentalen Farben fehlt, das bringt das Ensemble um so mehr ein – denn hier ist jede Partie mit einer klaren, leuchtenden Stimme besetzt. Es fällt schwer, einzelne vokale Höhepunkte herauszugreifen, wenn sich ein Ensemble so ausnahmslos überzeugend seiner Aufgabe annimmt. Francesca Lombardi Marzulli in der Titelpartie und Roberta Mamelli als Artemia haben nicht nur die längsten Partien, sondern bringen ihre mühelosen, frei schwebenden Sopranstimmen prachtvoll zum Einsatz. Das gilt nicht weniger für Valentina Coladonato als Oronta und Marina Bartoli als Ramiro, die Countertenöre Maarten Engeltjes als Meraspe und Roberto Balconi als Alindo, und schließlich Silvia Frigato und Salvo Vitale in den kleinen Partien Eurillo und Idamaro.

Das Publikum folgte dem Abend mit großer Konzentration, brauchte wegen der grenzwertigen Temperaturen viel Kondition – und spendete am Schluss zwar nicht sehr langen, aber umso begeisterteren Beifall

Christian Schütte

 





 
Fotos: © Thomas Damm