Radiogerecht
Nicht ganz alte Musik (1865) zu einem uralten Mythos (Antike) in der Satire des 19. Jahrhunderts mit einem Spezial-Orchester „alter Musik“ für eine Radio-Livesendung konzertant präsentiert: So komplex kommt die Pygmalion-„Komödie“ im akustisch dumpfen Herner Kulturzentrum daher.
Christian Brückner spricht die Zwischentexte, old fashioned wie sie sind mit versteckter Ironie. Das Solisten-Ensemble brilliert mit der Suppé-Vorgabe nach Offenbachschen Impulsen, beweist emotionale Musikalität und vermittelt mit subtilen Zwischentönen Ironie und Selbst-Distanzierung par excellence: Jörg Dürmüllers Tenor verfügt über genügend Reserven, um die Enttäuschung des Künstlers gegenüber seinem Kunstprodukt zu artikulieren; Marianne Beate Kiellands Mezzo verleiht dem naiv-erotisierbaren Ganymed eine Fülle imaginierender Nuancen; Klaus Hägers Bariton gibt dem Mäzen Mydas ambivalent-freudvollen Charakter; und Eleonore Marguerre ist als kokett früh-routinierte Galathée mit klar-agilem Sopran eine Offenbarung! Es geschieht der Zauber des Ausdrucks von seelischen Empfindungen durch gefühlsbetonten Gesang!
Der geradezu erschütternde Hör-Schock ist allerdings der Umgang der cappella coloniensis mit der Suppé-Petitesse: Bruno Weil geht zu Werke als handele es sich um die Eröffnung einer sauerländischen Schützen-Session – von ironischer Delikatesse, Offenbachschem Charme und schwebender Walzer-Leichtigkeit keine Spur; das ist nicht der Saal-Akustik geschuldet. Der Mythos cappella coloniensis erleidet derbe Kratzer. Das Chorwerk Ruhr (Philipp Ahmann) bestätigt dagegen seine Klasse als intensiver Vermittler differenzierter Klänge.
Das Herner Publikum – ohnehin auf die Rezeption tatsächlich „alter“ Musik eingestellt – goutiert das musikalisch Gehörte reserviert. Die renommierten Tage Alter Musik auf dem Weg in die Radio-Welt? (frs)
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