Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
7. Oktober 2009 (Premiere)

Theater Heidelberg


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Heidelberger Hokuspokus

Na, da kommt doch Freude auf: Pamina legt sich in den Zauberkasten und schon ist sie eine zerteilte Jungfrau, auch das Schweben fällt ihr leicht. Der magische Zirkel macht’s möglich, und das Publikum staunt. Freut sich. Toll. In Heidelberg ist gewaltig viel los, wenn das Theaterzelt mit Mozarts Zauberflöte eröffnet wird. Drei lange Jahre soll die Ersatzspielstätte die Sanierungszeit des angestammten Hauses überbrücken, derweil mit dieser Mozart-Premiere nachgewiesen wird: Kurzweil ist Trumpf, denn das Haus um Intendant Spuhler, der in zwei Jahren als Generalintendant nach Karlsruhe wechseln wird, lässt es krachen, egal wo gespielt wird.

Das junge, gleichwohl schon preisgekrönte Team mit Regisseur Tobias Kratzer und Ausstatter Rainer Sellmaier geht anscheinend zurück zu den Wurzeln, denn Emanuel Schikanders Theater, wo die Zauberflöte 1791 das Licht der Welt erblickte, war ein Volkstheater, in dem sich Schwänke sehr gut machten. Aha, Theaterzelt, also passt die Zirkus/Varieté-Atmosphäre etwa der zwanziger Jahre, die sich als Kaleidoskop vor dem staunenden Besucher entfaltet, denn wie Buchseiten ändern sich die Bilder auf der zwiefachen Drehbühne. Die macht allen Akteuren deshalb zu schaffen, weil das Bühnenportal doppelt so breit ist wie im bezaubernden Stadttheaterchen – die Figuren der Handlung scheinen gelegentlich den Zusammenhalt zu verlieren, auch müssen sich die Sehgewohnheiten des Publikums erst neu orientieren. Klanglich ist das Theaterzelt okay, akustisch vielleicht ein bisschen trocken, aber sehr transparent, was Generalmusikdirektor Cornelius Meister und sein gut aufgelegtes Philharmonisches Orchester zu einem schlank-zupackenden, meist bestens austarierten Mozart-Spiel nutzen.

Im Mittelpunkt Pamina, von Silke Schwarz wunderschön gesungen und zauberhaft gespielt. Diese Pamina hat die Fäden in der Hand, auch wenn Sarastro, von Wilfried Staber mit guten Tiefen, aber insgesamt etwas wackelig gesungen, mal als Zirkusdirektor, mal als Casting-Manager so tut, als ob er der Chef sei. Er lässt alles auftreten, was sich so alles im Arsenal der frühen Unterhaltungsindustrie tummelt: stämmige Gewichtheber, die Frau mit dem Bart, den Kannibalen-Mohren (Winfrid Mikus mit etwas angestrengtem Spieltenor), die berühmten siamesischen Zwillinge im Frack, und so weiter. Tamino aber hat sich im Straßenanzug mit der Aktentasche in das Werbeplakat seiner Pamina verknallt. Statt Zauberflöte gibt ihm die Regie einen Zauberstab in die Hand. Emilio Pons steigert sich über den langen Abend in attraktive Farbnuancen hinein, sein Pech allerdings war, dass Mozart die Bildnisarie gleich als Auftrittsarie konzipiert hat. Die war schön, aber noch nicht bezwingend gestaltet.

Zauberisch umgarnt Papagena ihren Kerl. Nicht nur, dass sie wie im Hütchenspiel Flaschen und Gläser tauscht und ihren Papageno damit lockt, auch in ihrer sängerisch-darstellerischen Ausstrahlung bleibt Annika Ritlewski ein Gewinn fürs Haus. Der Papageno wird von Sebastian Geyer differenziert und formschön gesungen und als halb obdachloser Mann der Straße brillant gespielt. Als Königin der Nacht wirkt die junge Hulkar Sabirova überzeugend, allerdings mit Abstrichen, denn ihr Sopran scheint für diese Partie noch nicht ausgereift. Die mörderischen Spitzen legt sie sauber hin, aber der Hörer spürt die Bemühung; die Sprünge sind gestochen scharf, doch noch nicht elegant; an dramatischer Zuspitzung indes lässt ihre Partiegestaltung nichts zu wünschen übrig. Drei Damen, drei Knaben, Geharnischte, Sprecher und Priester – allesamt gut besetzt als Zeichen eines intakten Ensembles.

So zeigt uns das Inszenierungsteam eine frühe Spaßgesellschaft, die der heutigen ähnelt: vordergründig, nett, spielerisch orientiert, ohne Tiefgang. Metaphysisches bleibt allen erspart, denn Tobias Kratzer klammert jede Doppelbödigkeit aus; das Reich der Nacht ist mit jenem des Lichts identisch, weil gleichermaßen zirzensisch. Doch der rote Faden der Magie reißt, ehe der Abend endet. Oder positiv ausgedrückt: Mozarts Musik ist unendlich schön.

Eckhard Britsch

 
 
Foto: Theater Heidelberg