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Fakten zur Aufführung 

DREI WÜNSCHE
(Bohuslav Martinu)
26. April 2009

Theater Heidelberg


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Wünsch’ dir was!

Na, das war ja ein wildes Durcheinander auf der Bühne des liebenswerten Heidelberger Theaters: Die Oper Drei Wünsche von Bohuslav Martinu, 1929 verfertigt, pendelt den Surrealismus aus, kokettiert mit den Dada-Strömungen, adaptiert musikalisch so ziemlich alles, was die damalige Zeit zu bieten hatte, und spottet der romantischen Liebes- und Todes-Sehnsüchte, die das Genre Oper so sehr beflügelt hatten. Jetzt aber schien, in Paris zumal, eine neue, aufregende Zeit angebrochen. Der Film war das Medium der Wahl, die Stars gaben sich exzentrischer denn je, das Leben sollte hektisch in vollen Zügen genossen werden.

Worum es geht? Wenn uns das Regisseur Holger Müller-Brandes ein bisschen genauer erklären könnte, wäre allen geholfen; doch scheint er zielgerichtet das Sammelsurium der Stile und Textfetzen und Musikcollagen als munteren Mix auf die mit kargen Stellwänden möblierte Bühne zu bringen. Ein Film wird also gedreht, entsprechend verrückt spielen die Protagonisten. „Film“ wird in der Heidelberger Umsetzung zum modernen Videoclip, das macht schon etwas her und übertüncht die Ungenauigkeit der Handlungsstränge. Kurz gefasst: „Ach, das Leben ist so schwer, seufzt Monsieur Arthur de St. Barbe (ein Bariton-Trumpf: Sebastian Geyer), nachdem ihn die Eblouie/Bettlerin (lecker-locker: Mezzo Jana Kurucová) vertrimmt hatte; das hat seinen Grund, denn sie ist hinter ihm her, während er doch mit dem Filmstar Indolenda verheiratet ist: Maraile Lichdi spielt die gelangweilte Exaltierte, und sie macht das recht attraktiv. Des Gatten überdrüssig, würde sie lieber den hübschen Adolphe verführen (fast schon ein kleiner Latin-Lover: Emilio Pons), der wiederum von der männermordenden Dinah (mächtig, und gut bei Stimme: Rosemarie Ribeiro) auf einsamer Insel quasi verschlungen wird.

Alles klar? Ja, das Verwirrspiel geht viel weiter, denn die gute Fee (Carolyn Frank im Marlene-Look) ließ drei Wünsche zu, um das Libretto richtig in Fahrt zu bringen: Reichtum, aber das Narrenschiff aus Gold geht unter; Jugend für Indolenda, doch der Gatte ist der Gelackmeierte. Nachdem ihm alles zerrann, geht auch sein letzter Wunsch, geliebt zu werden, voll daneben. In einem melancholischen Video lässt Bühnenbildner und Bildspezialist Chris Kondek die Protagonisten durch Heidelbergs Hauptstraße wanken und in der Straßenbahn das Küssen verlernen.

Ach, das war gar nicht traurig, weil als überspannte Parodie geplant und so auch serviert. Musikalisch setzte Dietger Holm mit dem Philharmonischen Orchester auf Genauigkeit im Umsetzen der bunten und rhythmisch vitalen Partitur, die nimmt, was sie an Plakatmalerei kriegt. Kleine Gags werden vom Publikum sehr fröhlich aufgenommen, etwa wenn der Dirigent ein altmodisches Grammophon zum Tango auf die Grabenbrüstung hebt. Na, ja, wenn es denn unbedingt sein muss! Am Ende kommentiert ein Männerquartett die krude Szene in der Art von spöttischen Moritatensängern, und das Publikum ist sehr angetan von dieser operngeschichtlichen Ausgrabung aus den wilden Zwanzigern.

Die Drei Wünsche waren die letzte Premiere im Heidelberger Theater, doch einen Wunsch erfüllt sich die Stadt Heidelberg selbst, dem treuen Publikum und natürlich auch den ehrgeizigen Theaterleuten: Sanierung des angestammten Hauses, und zwar grundlegend, bis tief in den Untergrund hinein. Das war, unter anderem durch harte Auflagen des Gemeindeunfallversicherungsverbands und der Gewerbeaufsicht und der Feuerpolizei und wer auch immer sonst noch etwas dazu beitragen darf in unserer komplexen Verwaltungswelt, unaufschiebbar geworden. Das wird dauern (drei Jahre) und das kostet viel. Die Stadt und die Bürgerschaft indes lassen sich auch etwas kosten und stellen für die Bauzeit ein Theaterzelt auf. Das hatte sich schon, nur als Beispiel, in Erfurt so sehr bewährt, dass die Leute gar nicht mehr raus wollten. Soeben war die erste Bauprobe für Mozarts Zauberflöte, mit der die Spielzeit 2009/10 eröffnet werden wird. Geschäftig rennen die Kunstschaffenden hin und her, Sägestaub legt sich über die Szene, das Portal wird vermessen und das winzige Modell per Pappe und Latten auf die Bühnenmaße übertragen. Türen und Säulen werden das Kerygmatische dieser Oper tragen und öffnen. Das „Zelt“ selbst ist innen freitragend, bietet maximal 658 Besuchern Platz. Die Sicht ist hervorragend, die Sessel und die Beinfreiheit versprechen viel mehr Bequemlichkeit als im sanierungsbedürftigen Haus. Dicke Schläuche unter den ansteigenden Reihen lassen auf Warmluftheizung hoffen, während äußere Lärmschutzwände die Anwohner ebenso beruhigen, wie sie die Musiker vom Straßenlärm abschotten sollen. Die maximale Höhe beträgt 18 Meter, also wird gute Akustik erwartet; zwei Drehscheiben geben inszenatorischen Ideen Raum. Ein Techniker-Rundlauf in etwa zehn Metern Höhe lässt Beleuchtungsspielen Raum.

Also: Das bemerkenswerte Ding macht einen guten Eindruck; zudem ist die „Übergangslösung“ verkehrstechnisch gut erschlossen, Parkplätze sind ebenfalls in Sicht, die Werkstatträume der Alten Feuerwache werden genutzt, ansonsten steht eine Containerlandschaft für die Theaterleute zur Verfügung. Unter den gegebenen Umständen kriegt Heidelberg eine optimale Lösung hin. Wenn das sanierte Haus dann ebenfalls den Wünschen gerecht wird, sind alle wunschlos glücklich.

Eckhard Britsch

 




 

Fotos: Theater Heidelberg