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Fakten zur Aufführung 

TITUS
(Wolfgang Amadeus Mozart)
25. November 2008
(Premiere: 3. Oktober 2008)

Theater Heidelberg


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Milde als Selbstzweck

Hurra, es lebe der aufgeklärte Souverän, der Strenge durch Milde ersetzt und Gesetze nicht absolut setzt, sondern auf ihre (Un)Menschlichkeit hin untersucht. Mozart hat seine Adelskritik dadurch kaschiert, dass er ein Idealbild eines Herrschers entwirft. „Titus“, im wahren historischen Leben durchaus ein rücksichtsloser Caesar, der seine Qualifikation durch die Eroberung Jerusalems unter Beweis gestellt und sich zudem durch Papa Vespasian zur Einführung einer Urinalsteuer hatte bekehren lassen, ist ein wirklich lieber Kerl. Freundschaft geht ihm über alles. Und in der Sicht von Christian Sedelmayer, der mit dieser Inszenierung einschließlich Bühnenbild sein Debüt in Heidelberg gibt, kriegt dieser römische Potentat zudem die Züge eines tumben Tors. Narzisstisch ist er nur darauf aus, jedermanns Liebling zu sein. Seine Milde entspringt nicht irgendwelcher Einsicht, sondern ist das Produkt hemmungsloser und unreflektierter Selbstliebe. Dieser Typ hängt auf der Ottomane herum, später stolpert er halbblind durchs von der Revolution bedrohte Leben; vom „Glanz des Thrones“ ist nichts zu spüren, denn „Titus“ verkörpert den Gegenentwurf, der sich selbst überflüssig macht.

Das ist geschickt und höchst amüsant in Szene gesetzt, allerdings auch entsprechend eindimensional. Winfrid Mikus ist der darstellerisch überragende Exeget dieser Sicht, auch sängerisch führt er seinen Tenor überzeugend, weil mit einer Aussagekraft versehen, die das hintergründige Machtbewusstsein ebenso ausdrückt wie die Weinerlichkeit; einige Koloraturen indes wirken etwas steif. Die Karikatur eines Herrschers bekommt dort ihre Brüche, wo Titus tatsächlich zur tragischen Figur wird, wenn er quälerisch hin- und hergerissen scheint, ob er nun das Todesurteil in Sachen Sextus unterschreiben soll oder nicht. Diesen flotten Burschen mit Dreitagebart, der aus Liebe zur Vitellia zum Verräter wird, spielt und singt Jana Kurucová mit ihrem hell, klar und attraktiv geführten Mezzo so perfekt, dass sie spontan zum Publikumsliebling auserkoren wird, zumal sie auch noch als Spiderman in die Rolle des Revoluzzers wechselt. Schade, dass die junge Sängerin zum Ende der Spielzeit an die Deutsche Oper Berlin wechselt. Aber das ist die Crux des kleinen Hauses, dass es Karrieren Wege ebnet, im Umkehrschluss aber das Ensemble immer wieder neu definieren muss.

Das Bühnenbild ist witzig gemacht; mal glaubt sich der Betrachter per freizügiger Wandmalerei ins untergehende Pompeji versetzt, dann wieder hofieren ihn höfische Ausstattungszitate. Der Chor seinerseits ist „stillos“, und deshalb umso charmanter kostümiert (Bettina Schanz), und erinnert manchmal an Fellinis Casanova-Filmbilder. Der Kunde fühlt sich schlicht und einfach wohl in dieser Optik, und musikalisch leistet das Haus Erstaunliches. In der hier besprochenen Aufführung spielt das Philharmonische Orchester Heidelberg unter Leitung des ersten Kapellmeisters Dietger Holm mit hoher Konzentration und Aufmerksamkeit, voller Genauigkeit in der Sängerführung und in differenzierter Klanglichkeit. Vitellia wird von Maraile Lichdi mit nuanciertem Sopran in vielen Facetten ausgesungen; Olga Privalova zeigt einen perfekt burschikosen Annio, Angela Kerrison eine Eros-betonte Servilia. Und Hubert Wild singt mit strömendem Bariton einen Diener der Macht namens Publio.

Mit dieser Produktion stellt sich das Haus einmal mehr ein gutes Zeugnis aus. Das Publikum im ausverkauften Haus ist entsprechend angetan von der Mozart-Pflege. In der engen Bindung kann auch einigermaßen gelassen an die Theatersanierung gedacht werden, die ab Mitte 2009 immerhin drei Spielzeiten lang Künstler und Publikum in ein Theaterzelt verbannen wird, so die Planung.

Eckhard Britsch
 




Fotos: Theater Heidelberg