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Fakten zur Aufführung 

RIGOLETTO
(Giuseppe Verdi)
7. November 2009 (Premiere)

Theater Heidelberg


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Da fliegen die Daunen

Gut, dass es das Heidelberger Theater gibt, denn jetzt wissen wir, dass die Geschichte von Menschen, die sich zum Affen machen, zeitlos ist. Sicherlich wusste davon das Premierenpublikum auch schon vor der Neuproduktion der Oper Rigoletto von Giuseppe Verdi, gehören doch solche Erkenntnisse zum Menschheitsschatz seit Anbeginn. Aber nur selten wurde ein komplexes Seelendrama so dinglich und unmittelbar vermittelt, wie dies jetzt im Theaterzelt Heidelberg geschah, der Übergangsstätte für drei Jahre während des Theaterumbaus. Denn das junge Inszenierungsteam um Regisseur Jim Lucassen und den jüngst verstorbenen Ausstatter Jeroen van Eck, dessen Konzeption Anja Koch realisiert hat, hat das krude Drama um Beschützen und Erwachsenwerden, Verletzlichkeit und machtvolle Brutalität, Bosheit und Liebe, Rache und Scham voller Deutungshoheit und unmittelbarer Einsichtigkeit vorgezeigt.

Dabei ist alles ganz einfach. Die Protagonisten kommen einher wie du und ich, jeder und jede ein bisschen individualisiert in heutigen Kostümen, doch keinesfalls aufdringlich aufgemotzt. Klar, der Obermacker (Herzog von Mantua) hat die Lederjeans an oder andere Accessoires der jugendlich Besitzenden; der Rigoletto kommt ohne Buckel aus, was niemand vermisst, zeigt sich doch irgendwann, dass der Ärmste offenbar die Wirbelsäule nicht mehr ohne Stützkorsett aufrichten kann. In Ordnung, passt, da hat das Heidelberger Publikum den unmittelbaren Querbezug zur berühmten orthopädischen Klinik, die in der romantischen Neckarstadt dazu gehört wie die Prinzhorn-Stiftung oder die zweitälteste deutschsprachige Universität oder das Deutsche Krebsforschungszentrum.

Das spielt auf karger Bühne, eingefasst von hellen, zweistöckigen und verschiebbaren Lamellenwänden, besetzt von ein paar Stuhlreihen wie in einem Wartezimmer. Worauf sie warten? Aufs große Kino des Lebens, bis die Daunen fliegen? Die Lamellen öffnen sich nach Bedarf zum Jungmädchenzimmer, wo ein naives Mädchen namens Gilda auf einem Ikea-Bettchen den knuddeligen Bären liebkost und flügge werden will; oder eine rot ausgeleuchtete Bordell-Show reizt den lüsternen Chef-Herzog und seine dienernden Jungs. Mädels sind Material. Und der käufliche Mörder Sparafucile tritt als Putzmann mit Gummihandschuhen auf; wisch und mopp, schon wird die Szene sauber, zumal der (oder die!) Gemeuchelte ordentlich im blauen Müllsack verpackt dem genarrten Rigoletto offeriert wird. Gruselig und einsichtig zugleich, Fiktion und doch irgendwie das wahre Leben zitierend. In diesem Tableau bewegen sich die Figuren in intensiver Unterschwelligkeit, so dass das Drama immer stärker wirkt durch jene unnachahmliche Mischung aus Fiktion und Wahrhaftigkeit, die uns immer wieder auf der Bühne berührt.

Musikalisch realisieren GMD Cornelius Meister und die Heidelberger Philharmoniker einen hochgespannten, ja elektrisierenden Verdi, dessen Partitur sie explodieren lassen, wenn sie phänomenal Emotionen freisetzen. Sängerisch geht es zuweilen eine Nummer kleiner, denn die hoch veranlagte Silke Schwarz, eine wunderbare, prägende „Pamina“, ist am Premierenabend als „Gilda“ leicht überfordert, weil sie die Spitzen nur mit Mühe erklimmt. Gabriel Urrutia Benet singt mit kernigem Baritontimbre den Rigoletto grandios, während Angelo Scardina als Herzog von Mantua zwar gute Figur macht, als jugendlicher Heldentenor aber doch einige Lässlichkeiten zulässt. Wilfried Staber gibt dem Sparafucile saubere Bass-Kontur; seine Schwester Maddalena wird von Carolyn Frank mit komödiantischen Kniffen ausgestattet. Die kleineren Partien sind ebenfalls sehr gut besetzt.

Am Ende einhellige Begeisterung beim Premierenpublikum.

Eckhard Britsch

 






 
Foto: Markus Kaesler