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Fakten zur Aufführung 

EUGEN ONEGIN
(Peter Tschaikowski)
30. Mai 2008 (Premiere)

Theater Heidelberg


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Mit heftigen Emotionen

Die Figuren drehen sich im Kreis, die Zeit scheint erstarrt. Im abgewirtschafteten Haushalt der Gutsbesitzerin Larina wird verzweifelt versucht, einen Rest an Reputation aufrecht zu erhalten. Schließlich müssen die Töchter Olga und Tatjana unter die Haube, und das gelingt in der Einsamkeit russischer Güterlandschaft nur in der Nachbarschaft. Was tun? Eine Party muss her, weshalb Bühnenbildnerin Katrin Wittig in Heidelberg den Raum regelrecht zugemüllt hat mit einer abgetakelten Lunapark-Situation und morbider Gerätschaft der frühen Elektrifizierung. Mühsam dreht sich das Karussell, auf dem sich die Figuren immer wieder zusammendrängen, als ob sie miteinander Schutz suchten vor dem Heraufdämmern einer neuen Zeit. Räder knirschen, denn in einer engen Welt müssen die Menschen Reibungsverluste erleiden.

„Eugen Onegin“ von Peter Tschaikowski hat sich Benedikt von Peter am Heidelberger Theater vorgenommen, und der Regie-Jungstar, soeben mit dem Götz-Friedrich-Nachwuchspreis für seine Umsetzung von Hans Zenders „Chief Joseph“ am Heidelberger Haus ausgezeichnet, hält im Muster der Langsamkeit die Emotionen in Schwung. Paradox? Im Gegenteil, denn er verbiegt die Figuren zur Groteske, wenn sie mit übergroßen Kopfmasken aus Papier ihre Individualität verbergen und das gesellschaftliche Einerlei symbolisieren. Doch wird ihnen die Maske abgezogen oder sie demaskieren sich selbst, so bricht in stringenter Personenführung eine mühsam überdeckte Gefühlswelt hart, ja ungezügelt heraus. Eugen Onegin etwa spottet über das Duell und bringt dennoch den armen Lenski zu Tode. Gremin schmeißt zornig mit Stühlen um sich, um dann sein stilles Glück zu preisen. Lebenslügen entlarven sich. „Liebe macht glücklich“, verheißt das Lichterband, doch das Glück verbirgt sich, auch wenn die Leute rote Papierherzen ausschneiden und rote Briefchen per Luftballon in den Himmel schweben lassen.

Heftige Emotionen werden von Dietger Holm am Pult des Philharmonischen Orchesters der Stadt Heidelberg musikalisch vorgegeben. Er setzt auf dramatische Zuspitzung, mitunter etwas vordergründig aufgeheizt, doch das Orchester intoniert nicht immer ganz sauber. Das Saisonende naht. Nicht für die Sänger-Darsteller, die noch einmal zu Hochform auflaufen. Larissa Krokhina wird frenetisch bejubelt als Tatjana, wenn sie dieser Figur zu Zähren rührende Züge schenkt und ihren farbenreichen Sopran zu glühender Intensität treibt. Sebastian Geyer wird für seinen gut ausgestatteten Bariton in der Titelpartie gefeiert. Hoffnungsträger Emilio Pons, ein hoch veranlagter Tenor aus Mexiko, geht die Partie des Lenski mit pulsierendem Offensivdrang an, und Olga Privalova singt eine frische, quirlige Olga, während Wilfried Staber aus angenehmer Bassrundung heraus den Gremin gibt. Carolyn Frank als Larina: Viele feine Züge schenkt sie dieser Figur; und als Stargast des Abends schlüpft Ortrun Wenkel in die Figur der Amme – vor Jahrzehnten startete sie in Heidelberg ihre internationale Karriere.

Das Premierenpublikum feierte die Sänger und bedachte das Inszenierungsteam neben Beifall auch mit heftigen Buhs. Was Besseres kann dem kleinen Haus doch gar nicht passieren, auch wenn Intendant Peter Spuhler sich bei der Premierenfeier leicht mokiert gab. Das stärkt doch das Renommee und das kleine, aber agile und innovative Haus bleibt im Gespräch.

Eckhard Britsch
 






Foto: Theater Heidelberg