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Fakten zur Aufführung 

L'ELISIR D'AMORE
(Gaetano Donizetti)
26. Juni 2009 (Premiere)

Heidelberger Schlossfestspiele


Points of Honor                      

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Rein in die schrille Party

Es lockt der Schlosshof, eine der schönsten Kulissen Europas. Romantik pur plus Renaissancefassade. Zwar geizt die UNESCO mit dem Titel „Weltkulturerbe“, doch für ein Festival taugt die Örtlichkeit allemal. „Schlossfestspiele“ heißt die Serie an Veranstaltungen zwischen Oper und Heidelberg-Chanson, die noch mehr Besucher an den geliebten und von Dichtern mit schönsten Worten besungenen Ort locken soll.

Aber welche Besucher? Die Touristen? Oder verwöhnte Opern-Gourmets? Oder alles auf einmal? Immerhin hält der höchst umtriebige Intendant Peter Spuhler (er wird ab der Spielzeit 2011 nach Karlsruhe wechseln) die Wortfahne „Festival“ ganz hoch. Also, der Anspruch ist da, doch die Reihen wollen auch gefüllt sein. Regisseur Joan Antoni Rechi Obiols, der sein Handwerk bei Calixto Bieito gelernt hat, soll den gordischen Knoten der unterschiedlichen Erwartungshaltungen bei Donizettis Liebestrank lösen. Er richtet eine schräge Opern-Party an und passt die Steilvorlagen, die ihm die Stadt bietet, plakativ und imaginativ in seine Sicht der Dinge ein. Das „Landvolk“, das sind Touristen, die ihre Fotoapparate zücken und das heitere Spiel mit allerlei Nonsens beleben. Die Kostüme (Moritz Junge) sind schrill, vor allem beim Quacksalber Dulcamara, der in Heidelberg lustvolle Travestie ausleben darf und allen Männern an die Wäsche geht. Gerne auch unterhalb des Gürtels, welche Linie zu überschreiten immer als flotter Partygag gilt.

Die Bühne bestückte Alfons Flores mit überdimensionalen, güldenen Sekt- und Weinkelchen, folgerichtig ist der Liebestrank, der Nemorino zu männlicher Attitüde verhelfen soll, kein roter Bordeaux sondern ein perlender Freixenet, der rumschäumt, als ob eine Formel-Eins-Siegesfeier zu beäugen wäre. Richtig. In Heidelberg hat ja schon der Zwerg Perkeo ein ganzes Riesenfass leer gesoffen, da darf entspannt mit Trunkenheits-Symbolen herumgespielt werden. Das Auge hatte viel zu tun, um all die Eindrücke zu sammeln, wie etwa die blondierten Weinköniginnen in Hot-Pants, die auf der Bühne herumturnten wie weiland Ingrid Steeger in Klimbim, oder die Allzweck-Handschellen, mit denen Adina den Belcore ans Gängelband nimmt, und der wiederum den Nemorino fürs Soldantenleben schnappt.

Ach ja, Musik gab es ja auch, und die war gut. Cornelius Meister, immer noch mit dem Attribut „jüngster Generalmusikdirektor“ geschmückt, ließ die örtlichen Philharmoniker temperamentvoll, beeindruckend genau und klangschön aufspielen; noch glänzender aber war der Gesang. Die lyrischen Koloraturen von Maraile Lichdi perlten so hinreißend und facettenreich, als wollte sie allen beweisen, wie sehr das Haus unter dem Verlust leiden wird, wenn sie ab nächster Saison nicht mehr dem Ensemble angehört. Belcanto in Perfektion. Emilio Pons hat dem Nemorino wunderschöne Geschmeidigkeit und Ausstrahlung verliehen; seine „Tränenarie“ ist an Schönheit, intimem Glanz und differenziertem Ausdruck kaum zu überbieten. Sebastian Geyer ist von Statur und Bariton-Material ein prächtiger Belcore, Gabriel Urrutia Benet ein witziger, vom heiteren Spiel geradezu besessener Dottore Dulcamara, den er auch sängerisch mit kernig-strahlendem Bassbariton profiliert. Als fünfte im Bunde gefällt Annika Sophie Ritlewski, neu im Ensemble, deren Giannetta-Darstellung an Leichtigkeit in Spiel und Gesang nichts zu wünschen übrig lässt. Der Chor (Jan Schweiger) wurde von der Regie reichlich im Schlosshof herumgehetzt und bot eine saubere Leistung.

Rein in die schrille Party, schien das Motto für diese Inszenierung. Man kann die aufregende Burleske als Schrott bezeichnen, wie ein stadtbekannter Heidelberger Autor lauthals in der Pause kund tat - oder aber als heitere, spritzige, fröhliche Adaption einer Opernkomödie, in der die Gags tatsächlich schon im Libretto angelegt sind und von der Musik aufgenommen werden. In die allgemein gute Premierenlaune mischten sich einige Buhs für das Inszenierungsteam.

Eckhard Britsch

 






 Fotos: Theater Heidelberg