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Fakten zur Aufführung 

EIN BLÜHENDER BAUM
(John Adams)
9. Februar 2008
(Premiere der dt. Erstaufführung)

Theater Heidelberg


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Metamorphosen, minimalistisch

Postminimalistische Musik und minimalistische Optik treffen auf indische Märchenwelt -- und deutlich wird ein merk-würdiger Kontrast: Wehrt sich sowohl die bildende Kunst als auch die Musik mit ihren Minimal-Ansätzen gegen die emphatische Vermittlung von Gefühlen, so geht es in dem indischen Märchen um Kumudha, die sich in einen blühenden Baum verwandelt, eigentlich um nichts anderes als Gefühle.

In der Heidelberger Deutschen Erstaufführung (nach der Wiener Premiere 2006) versucht David Hermann, diesem Dilemma durch reduzierte Handlung auf der einen, metaphorisches Bühnenhandeln auf der anderen Seite gerecht zu werden – und die karg akzentuierende Bühne von Christof Hetzer mit einem farblich metamorphisch verkleideten offenen Kubus unterstützt diese offenkundige Intention. Da gibt es keine naturalistischen Bilder, doch da wird Kumudha durchaus als „Baumstumpf“ gezeigt, der gefesselt über die Bühne robbt – und da hockt der Erzähler in einer Badewanne (offenbar nach dem Motto „alles fließt“). Handlung bleibt rudimentär, alles ist „prozesshaft“ - doch: Wahrgenommen wird eine Geschichte um Hilfsbereitschaft, Unverständnis, Liebe, Entsagung, Leidenschaft, Hinterlist und – um die Hoffnung auf das individuelle Glück. Metamorphosen, Wandlungen werden angedeutet, können aber nur in den Köpfen der Zuschauer zur Imagination werden.

John Adams gibt den musikalischen Duktus vor: sich steigernde Wiederholungen von Rhythmen und Harmonien bilden die Grundlage, wechseln zu intensiven Klang-Meditationen, werden unterbrochen durch hörbare Einflüsse des experimentellen Jazz und der „modernen Klassik“, verweisen auf tonalen Klang – und enden in einem durch blitzende Crescendi aufgebrezelten furiosen fading out. Dietger Holm leitet das präsente Philharmonische Orchester der Stadt Heidelberg mit viel Verständnis für die geforderten „Stilbrüche“ und für die substantiellen permanenten Prozesse musikalischer Artikulationsformen – bisweilen überpointiert, aber immer im „Geist“ der post-minimalistischen Adams-Philosophie.

Der Chor agiert im Stile statischen kollektiven Bewegungstanzes, singt Texte und Vokalisen aktiv-kommentierend. Gabriel Urrutia Benet „erzählt“ das komplexe Märchen mit modulationsfähigem Sprechgesang, der auch noch gut verständlich ist. Diesem Gesangs-Duktus ist – natürlich – auch Larissa Krokhina als Kumudha verpflichtet: ihr wandlungsfähiger Sopran wird diesen brutalen Anforderungen gerecht, sie singt mit höchster Konzentration, lässt trotz allem Minimalismus elementare Emotionalität hörbar werden. Winfrid Mikus hat mit seinem robusten Tenor keine Probleme mit den Tücken des variantenreichen Sprechgesangs. Doch die Textverständlichkeit bleibt diffus – eine pfiffige Übertitelung hätte da geholfen.

Das Heidelberger Publikum – viel akademische Jugend, viele „connaisseurs“ – folgt diesem Exempel von wieder belebter „Werktreue“ mit großem Interesse, applaudiert heftig, aber relativ kurz – und verlässt intensiv diskutierend das Haus. Ein unbestreitbarer kommunikativer Erfolg für Heidelbergs Theater. (frs)

 

 




Fotos: Theater Heidelberg