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Fakten zur Aufführung 

AI-EN
(Minoru Miki)
20. Februar 2010
(Europäische Erstaufführung)

Theater Heidelberg


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Die Liebe kommt auf leisen Sohlen

„Was in dieser Welt auch immer geschehen mag, unserer Liebe Erinnerung wird ewig leuchten, bis an die fernste Grenze des Jenseits“, behaupten das Mädchen Ryurei und ihr Schatz Ono Kiyoto, was darauf hindeutet, das die erhoffte Einzigartigkeit jedes Liebeswahns keine westliche Erfindung ist. Aber von bitterer Schönheit ist der Schmerz, wenn sie zusammen nicht kommen, oder vielleicht doch, spätestens im Jenseits. Denken wir an Romeo und Julia. Oder in Heidelberg eben an Ryurei und Ono Kiyoto, denn die beiden sind die Hauptfiguren der Oper Ai-En des japanischen Komponisten Minoru Miki, die soeben im Heidelberger Opernzelt ihre europäische Erstaufführung erlebte, nachdem sie 2006 an der Tokioter Nationaloper uraufgeführt worden war.

Miki veropert ein doppelbödiges Libretto von Setouchi Jakuchou, in dem Vergangenes mit aktueller Handlung verknüpft werden, um ein fast mythisches Beziehungsgeflecht zwischen erstarrten Hofritualen und Heimatlosigkeit, Erkennen und Intrige entstehen zu lassen. Die Liebesgeschichte spielt im achten Jahrhundert. Ono Kiyoto liebt Sakurako, doch auf der Fahrt nach China geht sein Schiff unter. Man hält ihn für tot, doch als Go-Spieler erringt er bei Hofe gewissen Ruf und Ruhm und trifft dort die liebreizende Ryurei, die ihm wie Sakurako aus dem Gesicht geschnitten scheint. Was Wunder bei Zwillingen, die auf seltsame Weise schicksalhaft auseinander gerissen wurden.

Japan meets China, das könnte auch ein modernes Märchen sein. Der Komponist entwickelt für seine Geschichte eine seltsam schöne Musik, die den Schnittpunkt von heimatlicher Tradition und westlichen Begegnungen, etwa mit dem spätromantischen Sinfonieorchester, zu klanglichem Raffinement und souveräner Dramaturgie nutzt, wenn er etwa aus kleinen Formeln große Formen baut und die Erwartungshaltungen des Hörers immer wieder effektvoll aufbricht. Den Heidelbergern darf aller Respekt gezollt werden, dass sie sich einer außerordentlich komplexen Aufgabe stellten. Gesungen wurde Japanisch (mit deutschen Übertiteln). Bild und Kostüme von Andreas Auerbach zeigen Geschmack und stilvolle Reduzierung; angedeutete Kieselsteine, ein Baum, ein kleiner Teich sind die Staffage, in der die Figuren in gemessener Haltung aufeinander zugehen. Regisseurin Nelly Danker setzt das Orchester auf die Bühne und baut davor einen Steg der Begegnung. Der Chor, grandios in seiner Darstellungskunst (Jan Schweiger hat ihn einstudiert) kommt mehrfach von hinten durch die Zuschauergänge ins Zentrum des Geschehens. Die Fokussierung aufs Wesentliche und ein suggestiver Zugang in fernöstliche Vorstellungswelten sind die Trümpfe dieser ambitionierten Einstudierung.

Musiziert wurde ausgezeichnet. Dietger Holm am Pult des Philharmonischen Orchesters führte mit Einfühlung und substanzvoller Stringenz. Minoru Miki ist freundlich zu den Sängern, indem er ihnen sangliche Phrasen in die Kehlen schreibt, was das Ensemble bestens nutzte. Allen voran als Hauptfiguren Tenor Byoung Nam Hwang und die Sopranistin Hye-Sung Na, die in Heidelberg schon als Madama Butterfly und als Gilda glänzte. In weiteren tragenden Partien Silke Schwarz und Peter Felix Bauer als chinesisches Kaiserpaar, Sebastian Geyer als Prinz Wakakusa, Aaron Judisch als Gesandter, Wilfried Staber (Kaufmann), Carolyn Frank (Priesterin) sowie ausgezeichnete Chor-Solisten. Einen Glanzpunkt aber setzt die Pipa-Spielerin Jing Yang, die den Operntitel „Ai-En“ auf ihrem einer Laute entfernt ähnelndem Instrument als geheimnisvolles, Sehnsucht imaginierendes Musikstück präsentiert.

Das Publikum war von der großartigen Ensemble-Leistung begeistert.

Eckhard Britsch

 



Fotos: Markus Kaesler