Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

SIMPLICIUS SIMPLICISSIMUS
(Karl Amadeus Hartmann)
13. März 2008 (Dernière)
(Premiere: 19. Januar 2008)

Staatsoper Hannover


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Intensive Grausamkeit

Karl Amadeus Hartmanns Oper, geschrieben 1933, ist eine Warnung vor dem Grauen des Krieges und dessen Auswirkungen auf die menschliche Seele. Das Schelmenhafte der Romanvorlage, die Grimmelshausen selbst als „überauß lustig und maenniglich nutzlich zu lesen“ beschrieb, wird bei seiner Auswahl der „Drei Szenen aus seiner Jugend“ drastisch reduziert. Alle drei ausgewählten Bilder sprechen von Tod und Vergänglichkeit. Was an subtilem bis derbem Witz geblieben ist, wird von Regisseur Frank Hilbrich noch weiter in den Hintergrund gerückt. Im Mittelpunkt seiner Inszenierung steht die zerstörerische Kraft der Gewalt. Unzensiert wüten seine Figuren über die Bühne, vergewaltigen, erniedrigen, ermorden. Mit der systematischen Zerstörung der Bühne (von Volker Thiele als zeitlos-biederes Wohnzimmer und gleichzeitig unentrinnbare Gummizelle eingerichtet, später als wüstes Schlachtfeld mit abblätternden Tapeten und einbrechenden Böden), wird sinnbildlich auch die Seele des jungen Simplicii vernichtet – die Überlebenden des Krieges werden ebenso zu seinen Opfern wie die Toten.

Dass sich die Schrecken des Krieges auch ohne visualisierte Gewaltorgien hervorrufen lassen, beweist Sprecher Franz Mazura. Mit beklemmender stimmlicher Präsenz deklamiert er die Opferzahlen des 30-jährigen Krieges. Kammersänger Hans Sojer, bei seinem letzten Auftritt an der Staatsoper Hannover, gibt den Einsiedel mit väterlich-weichem Tenor, fein artikulierend. Auch Olivia Stahn als androgyner Simplicissimus kann stimmlich mit fein konturiertem Sopran überzeugen. Besonders beeindruckt, wie wenig ihr das physische Marathonprogramm auf die Stimme schlägt: Wie eine wahnsinnig gewordene Kunstturnerin rennt und springt sie bis zur temporären Atemlosigkeit über die Bühne. Latchezar Pravtchev als Gouverneur und Albrecht Pöhl als Hauptmann scheinen dagegen mit der Hartmannschen Musik eher zu hadern – mit holpriger Melodieführung, ohne musikalischen Fluss.

Ganz anders das Niedersächsische Staatsorchester unter Leitung von Raimund Laufen. Von Beginn an präsent, nutzt es die variantenreiche Musik Hartmanns, um wie ein Erzähler durch die Handlung zu führen. Einflüsse von Kurt Weill und Igor Strawinsky werden sensibel herausgearbeitet, der eingestreute Bach-Choral im zweiten Bild steigt unvermutet, aber von ergreifender klanglicher Reinheit aus dem Orchestergraben.

Obwohl „Simplicius Simplicissimus“ erst im Januar dieses Jahres Premiere feierte, war die Aufführung am 13. März bereits die Derniere. Der Saal blieb dennoch weitestgehend leer – Stoff und Musik sind eben kein massentaugliches Opernvergnügen. Die anwesenden, weitestgehend jungen Opernbesucher sparten jedoch nicht mit anerkennendem Applaus für das gesamte Ensemble.

Daniel Bühlow

 

 


Fotos: Staatsoper Hannover