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Fakten zur Aufführung 

IL VIAGGIO A REIMS
(Gioacchino Rossini)
15. April 2010
(Premiere: 10. April 2010)

Staatsoper Hannover


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Gehen denn heute gar keine Flüge mehr?

Nein, und schon gar nicht nach Reims, wohin eine Schar von Menschen gerne möchte, es aber nicht schafft. Rossinis Il viaggio a Reims ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswertes Stück. Er schrieb es 1825 aus Anlass der Krönung Karls X. in der Kathedrale zu Reims, uraufgeführt wurde es wenige Wochen nach dem Ereignis in Paris. Aufbau und Dramaturgie des Einakters haben weniger als andere Werke Rossinis mit den Gepflogenheiten eines Dramma giocoso zu tun – vor allem, weil es keine Handlung gibt. 14 Menschen stranden am selben Ort, alle sind auf der Reise – nach Reims – und verstricken sich an diesem Ort in allerlei Begegnungen und Begebenheiten. Rossini hat das Werk als Festoper konzipiert und wollte für die 14 solistischen Partien nur die besten Sänger seiner Zeit haben, dementsprechend anspruchsvoll sind vor allem die Arien. Nach der Uraufführung verschwand das Stück rasch von den Spielplänen, Rossini griff für seine Oper Le Conte Ory auf weite Teile des musikalischen Materials zurück. Keine 30 Jahre ist es her, dass dank eifriger Forschungen die Originalgestalt des Werkes wieder an die Öffentlichkeit und zurück auf die Bühnen gelangte.

Regisseur Matthias Davids lässt sich von Marina Hellmann eine Flughafenhalle auf die hannoversche Opernbühne bauen, wir befinden uns auf dem Aeroporto Charles X. Der Chor ist das Flughafenpersonal vom Piloten bis zur Putzfrau, die Reisenden bleiben in dieser Halle hängen, weil alle Flüge von hier bis auf weiteres gestrichen sind. Das funktioniert als Grundkonzept der Regie sehr gut, Davids hat viel Spaß daran, die einzelnen Charaktere – Persönlichkeiten aus ganz Europa – detailgenau darzustellen, dabei helfen ihm die wundervollen Kostüme von Leo Kulaš. Es gibt, zumal in den großen Ensembleszenen, immer mal wieder Momente, die etwas bemüht komisch wirken, aber der große Bogen über dem Abend bleibt durchweg bestehen – heitere, geistreiche und durchaus auch einmal witzige Unterhaltung.

Das findet seine vollkommene Entsprechung im Dirigat Gregor Bühls, der von 1995 bis 2001 als Erster Kapellmeister fest am Haus war und nun für diese Produktion zurückgekehrt ist. Vorbildlicher Rossini ist da aus dem Graben zu hören, leicht, federnd, luftig, ungemein präzise in allen Instrumentengruppen. Eine Begleitung solcher Qualität animiert auch das Ensemble zu Höchstleistungen. Aus der langen Reihe der Solisten müssen Dorothea Maria Marx als Corinna und Hinako Yoshikawa als Contessa di Folleville an erster Stelle genannt werden, die beide mit eindrucksvoll geformten Koloraturen in ihren langen Arien für sich einnehmen. Ebenfalls sehr präsent sind mit üppigem Mezzo Julia Faylenbogen als Marchesa Melibea, Ania Vegry als entschlossene Madama Cortese sowie die Tenöre Sung-Keun Park als Conte di Libenskof und Ivan Turšić als Cavaliere Belfiore. Die tiefen Herren sind mit den Bässen Tobias Schabel, Shavleg Armasi und Young Myoung Kwon profund besetzt, die Baritone Frank Schneiders und Jin-Ho Yoo haben weniger Gelegenheit, sich profilieren zu können.

Ein Rossini-Abend von diesem sängerischen wie musikalischen Niveau bricht eine Lanze für den noch immer allzu oft unterschätzten Komponisten, dessen Bühneninstinkt einfach umwerfend ist. Das Publikum folgte dem sehr konzentriert und applaudierte begeistert einer Aufführung mit viel Charme und Esprit.

Christian Schütte









 
 
Fotos: Jörg Landsberg