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Fakten zur Aufführung 

DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN
(Sergej Prokofjew)
4. Dezember 2010 (Premiere)

Staatsoper Hannover


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Manga als modernes Märchen?

Carlo Gozzis Theaterstück Die Liebe zu den drei Orangen war das erste seiner Märchendramen, die bis heute seinen Ruhm als Theaterdichter begründen. Sergej Prokofjew bekam 1919 von der Oper in Chicago einen Kompositionsauftrag für eine Oper, wählte Gozzis Stück als Grundlage und schrieb das Libretto selbst. An der Staatsoper Hannover erlebte das Werk nun seine Erstaufführung.

Wie es in einem Märchen oft geschieht, kämpfen Gut und Böse gegeneinander, tauchen allegorische und symbolische Gestalten auf, und zum Schluss geht alles in einem guten Ende auf. Der Prinz, Sohn von König Treff, ist ein melancholischer und hypochondrischer Junge, der nicht lachen kann. Das muss er, um geheilt zu werden und seinem Vater auf den Thron folgen zu können. Der lustige Truffaldino und der Zauberer Tschelio helfen ihm auf diesem Weg, Fata Morgana steht für die andere Seite, die den Tod des Prinzen wollen. Als der über Fata Morgana lachen muss, verflucht sie ihn – er verfällt sofort in Liebe zu den drei Orangen und wird nicht eher zur Ruhe kommen, bis er sie besitzt. Der Weg dahin ist jedoch gefährlich, weil die Orangen im Besitz einer bösen Zauberin sind. Es gelingt dem Prinzen, sie zu besitzen. Schließlich verbirgt sich hinter der dritten Orange die Prinzessin Ninetta, in die der Prinz sich verliebt und mit ihr zusammen am Hof seines Vaters leben wird. Die Geschichte schwankt zwischen Tragik und Komik, zwischen Lachen und Weinen, zwischen Ernst und Spaß.

Regisseur Balázs Kovalik verlegt das alles in eine Comic-Welt, vor allem typische Manga-Figuren haben ihn offenbar sehr inspiriert. Angelika Höckner hat ihm dazu phantasiereiche Kostüme entworfen, Csaba Antal ein klares Bühnenbild – ein Halbkreis aus weißen Gaze-Vorhängen säumt den Bühnenhintergrund, ein weiterer Halbkreis aus silber glitzernder Folie hängt von oben herab, neigt sich, dreht sich. Beide Elemente bieten viel Raum für Farbspiele und funktionieren gut als Projektionsflächen der Videos und Animationen von József Tasnádi. Die fahrbare Schlafstätte des Prinzen als Ort seiner Träume wird von einem Bildschirm dauerberieselt. In diesen Räumen entstehen immer wieder starke, von kräftigen Farben und großen Gesten geprägte Bilder, die nicht nur die Geschichte um den Prinzen lebendig werden lassen, sondern durchaus auch die eigene Fantasie anregen. Manche Übergänge zwischen den Szenen wirken etwas unmotiviert, nicht jede einzelne Geste scheint bis ins Detail durchdacht. Über den Abend hinweg entwickelt Kovaliks Sichtweise aber immer mehr Sogkraft und Spannung.

Starke Akzente setzt durchweg die musikalische Umsetzung. Lutz de Veer führt das Staatsorchester mit wachsender Sicherheit durch die Partitur, die zwischen Anklängen an Filmmusik und dezenten Zitaten aus der Opernliteratur doch ein typischer Prokofjew bleibt. Klangfarben, Delikatessen in der Instrumentierung und Raffinessen in Rhythmik und Dynamik bekommen hier den Raum, den sie brauchen.

Auf der Bühne ist ein durchweg hochkarätiges Ensemble zu hören, stellvertretend seien Sung-Keun Park als Prinz und Jörn Eichler als Truffaldino genannt, die ihre akrobatischen tenoralen Aufgaben souverän meistern; Tobias Schabel gibt mit seinem noblen Bass den König Treff, Kelly God als Fata Morgana und Stefan Adam als ihr Gegenspieler Tschelio sorgen für die nötigen dramatischen Akzente. Herrlich anzusehen und bassgewaltig gesungen ist Shavleg Armasi die furchteinflößende Köchin, Dorothea Maria Marx, Julie-Marie Sundal und Mareike Morr veredeln stimmlich die drei Orangen.

Dan Ratiu hat seinen Chor in gewohnt stimmgewaltiger und –präsenter Art auf diesen Prokofjew-Abend vorbereitet. Gesungen wurde in der deutschen Textfassung, die durch die Sperrigkeit der Sprache stärker als das französische Original zu erkennen gibt, dass Prokofjew keine allzu ausgeprägte Affinität zum Komponieren für die menschliche Stimme hatte. Bühneninstinkt hatte er dafür gleich umso mehr, was sein Stück zu einer dankbaren Aufgabe für jedes Theater macht.

Das Premierenpublikum hatte im Lauf des Abends immer wieder – und berechtigt! – etwas zu lachen, ließ sich vom wachsenden Spielwitz auf der Bühne mitnehmen und bedachte die Aufführung am Ende zwar nicht mit allzu enthusiastischem, aber doch sehr wohlwollendem Beifall.

Christian Schütte

 









 
Fotos: Jörg Landsberg