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Fakten zur Aufführung 

MACBETH
(Giuseppe Verdi)
30. Januar (Premiere)

Staatsoper Hannover

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Das stimm(ungs)stark-mordlüstige Ehepaar Macbeth

Giuseppe Verdi selbst hielt Macbeth stets für eine seiner wichtigsten Opern. Zurecht, denn was der Komponist hier 1847, umringt von heute überwiegend in den Hintergrund getretenen Werken, an psychologischer Kraft, seelischen und menschlichen Abgründen musikalisch freisetzt, ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Und die Staatsoper Hannover tat gut daran, sich für diese Fassung zu entscheiden, die rauer und kantiger ist als die 2. Fassung von 1865 – und gerade deswegen besser zum Geschehen auf der Bühne passt.

Regisseur Frank Hilbrich hatte sich in Hannover erstmals 2008 mit Karl Amadeus Hartmanns Simpliccissimus-Oper vorgestellt. Jetzt zeigt er einen Macbeth, der sich vor allem auf die Beziehungen zwischen Macbeth und der Lady konzentriert, darauf, wie das Instrument des Mordens beide Figuren zunehmend in seinen Bann zieht und damit zerstört. Von seinem Bühnenbildner Volker Thiele lässt Hilbrich sich dafür einen Raum bauen, der zunächst eine weiße, schräge Spielfläche ist, die nach dem ersten Mord – an König Duncan – im Bühnenhimmel verschwindet, darunter tut sich ein von großen schwarzen Vorhängen verhängter Saal auf, in der Mitte eine Art Säule, ebenso aus schwarzen Vorhängen, die vielerlei Raum bietet, sich dahinter, darin und dazwischen zu bewegen. Das ist ein funktionaler Raum, der einen angemessen düsteren Rahmen bietet. Macbeth und die Lady bewegen sich darin als recht biederes Ehepaar – was durch die Kostüme Olaf Habelmanns besonders ins Auge sticht – , die mit ihrer Liebe nicht allzu viel anfangen können. Schön schrill und bunt kostümierte Hexen hantieren immer wieder mit Plakaten, die Macbeths Antlitz zeigen und auch schon einmal den ganzen Bühnenhintergrund einnehmen. Blutrünstigkeit und Mordlust werden durch eine Reihe von in ihre Gliedmaßen zerlegten Menschenpuppen unübersehbar. Das ist eine Bildersprache, die im Lauf des Abends immer mehr zunimmt, sicher auf der einen Seite die Spannungssteigerung nachvollzieht, auf der anderen Seite aber auch immer wieder an Grenzen stößt – weniger wäre da sicher manchmal mehr gewesen.

Das galt dagegen für Hannovers 1. Kapellmeister Lutz de Veer überhaupt nicht. Mit dem richtigen Gespür für die Ecken und Kanten der Partitur und wenig Angst vor eruptiven dynamischen Ausbrüchen steuert er das sehr präzise und konzentriert spielende Staatsorchester souverän durch den Abend, vermag der Intensität von Akt zu Akt mehr Dichte abzugewinnen. Dabei folgt ihm vor allem der von Dan Ratiu gewohnt stark präparierte Chor bestens, sowohl als Hexen als auch als Mörder ein Klangkollektiv von bedrohlicher Gewalt.

Brian Davis gibt den Macbeth mit überzeugenden Zwischentönen, kann seine Stimme in der Höhe mitunter nicht ganz befreien. Darstellerisch macht er die Wandlungen der Figur jedoch unbedingt glaubhaft – und musste sich am Ende laute Buh-Rufe gefallen lassen. Auch wenn Davis sich an diesem Abend stimmlich nicht in seiner bestechendsten Form präsentiert haben mag, war das nicht gerechtfertigt. Brigitte Hahn singt die Lady sehr kultiviert und stimmlich klug dosiert. Zu Beginn sind vor allem in der Höhe noch einige Härten zu vernehmen, die sie umso besser in den Griff bekommt, je mehr sie sich in ihrer Rolle frei spielt – spätestens, wenn sie dem Wahnsinn verfallen ist, gewinnt sie auch als Darstellerin bezwingendes Profil.

Shavleg Armasi nutzt die relativ kurze Partie des Banco, um seinen klangschönen, voluminösen Bass in absoluter Bestform zu präsentieren und sich einen verdienten persönlichen Triumph zu ersingen. Latchezar Pravtchev als Macduff und Ivan Turšic als Malcolm geben nicht minder kompetent die beiden für Verdis Verhältnisse sträflich vernachlässigten Tenorpartien, Young Myoung Kwon und Anke Briegel ergänzen das Ensemble als Kammerherr und Kammerfrau.

Das Premierenpublikum feierte einen musikalisch gelungenen, szenisch sicher widersprüchlichen Verdi-Abend mit lautem und begeistertem Beifall. Frank Hilbrich und sein Team bekamen weniger laute Buh-Rufe ab als Brian Davis – der damit aber gut umgehen konnte und souverän ins Publikum strahlte.

Christian Schütte

 







 
Fotos: Jörg Landsberg