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Fakten zur Aufführung 

LULU
(Alban Berg)
10. November 2002 (Premiere)


Staatsoper Hannover


PANOPTIKUM

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Alle Männer sind "schrecklich" normal: Alwa, Dr. Schön, Schigolch, der Athlet, der Bankier; schrecklich normal in ihrem Habitus und in ihrem Zwang zur "Verwertung" der Möglichkeiten Lulus. Barbara Beyer zeigt die selbstbewusste "Anpassung" der Frau, deren Opferrolle trotz aller Kraft unvermeidlich ist; auch das Geschwitz-Projekt, für die Emanzipation zu kämpfen, ist zum Scheitern verurteilt!

Hermann Feuchter verlegt diese schreckliche Normalität in eine Kantine und in einen feindseligen Airport-Wartesaal. Detailgenauigkeit des Ambientes und dekonstruktive Elemente durchaus körperbetonter Personenführung orientieren sich an der wechselvoll-assoziativen Musik Bergs.

Dem Staatsorchester Hannover gelingt die intensive Vielfalt von avantgardistischer Verstörung, lyrischer Kontemplation und deutender Reflexion unter Jörg Henneberger äußerst eindrucksvoll - "Wohlklang" und Brüche im Zwölftonbereich sensibel abwägend.

Mit Melanie Walz ist eine unbefangen-selbstbewusste Frau die ideale Besetzung des Regie-Konzepts, darstellerisch blendend, stimmlich flexibel, ausgesprochen sicher in Intonation und Phrasierung! Das Ensemble der Staatsoper Hannover brilliert in den Abgründen menschlicher Bösartigkeit und phrasiert stupend: Christoph Homberger - nach seinem fulminanten Auftritt in Marthalers "Schöner Müllerin" bei der Ruhr-Triennale - als gespaltener Alwa; Hans-Peter Scheidegger als brutal-entgleister Tierbändiger und Athlet; Frank Schneiders als alltäglich-dämonischer Schigolch; Thomas Möwes als ambivalenter Dr. Schön - und schließlich Janina Baechle als die Geschwitz, weitab aller Lesben-Klischees. Die Ensembleleistung hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck.

Das enervierende Buh gegen Melanie Walz mag der Ausbruch eines desorientierten Anti-Fans sein, doch scheinen die lautstarken Missfallenskundgebungen gegen das Regieteam der verbliebenen Publikumsmehrheit - zahlreiche Abgänge waren während der Pause zu beobachten - eher der nicht akzeptierten Verletzung der Konvention geschuldet ("Die Lulu, ein Raubtier, und was war hier?" kommentiert ein Protestler). Der offene neue Blick auf die Dinge bedarf in Hannover offenbar noch vieler Sehhilfen! (frs)