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Fakten zur Aufführung 

MY FAIR LADY
(Frederick Loewe)
11. Oktober 2009
(Premiere: 2. Oktober 2009)

Staatsoper Hannover


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Diplomatenball mit Queen

Sie hat schon fast Tradition, die alljährliche Produktion eines Stücks aus dem Kreise der sogenannten „leichten Muse“, deren Pflege sich Hannovers Opernintendant Michael Klügl mit seinem Amtsantritt 2006 ausdrücklich verschrieben hat. In diesem Herbst steht der Musical-Klassiker schlechthin auf dem Programm – My fair Lady.
Dass Eliza Doolittle in der deutschen Übersetzung folgerichtig keinen britischen, sondern einen zutiefst deutschen Akzent spricht, zumeist allerfeinstes „berlinerisch“, gehört zur Aufführungstradition. Dass die Geschichte zwischen Berlin und dem Vereinigten Königreich spielt, nicht unbedingt. Regisseur Bernd Mottl verlegt die erste Szene in die U-Bahn Station „Bellevue“ in Berlin, wo sich Professor Higgins und Oberst Pickering treffen und dort der kessen Berliner Göre Eliza begegnen. Wo Higgins’ Haus steht, bleibt der Phantasie überlassen. Seine Haushälterin heißt hier jedenfalls Fräulein Pearce, zum Pferderennen machen sich alle dann aber doch nach Ascot auf. Und auf dem Diplomatenball erscheint die Queen höchstpersönlich. Sicher ist die Geschichte auch als Spiel zwischen den Welten – und Orten – anzusiedeln, etwas irritierend ist das indes manchmal schon. Und damit aber auch der einzige Punkt dieser Neuinszenierung, an dem sich irgendwie anecken lässt.
Bernd Mottl und seine Ausstatter (Bühnenbild: Friedrich Eggert, Kostüme: Nicole von Graevenitz) lassen ihrer Fantasie freien Lauf, und das Ergebnis macht eine Menge Spaß. Higgins’ Haus erscheint ganz in rosa, eine wundervolle Anspielung auf die Barbie-Häuser, mit denen Generationen von Mädchen ihre Kindheit ausstaffierten, und Eliza erscheint dann auch dort in einem passenden Gewand. Ihre blonden Locken und der im ersten Bild geäußerte Hinweis, sie käme aus Berlin-Marzahn, erinnern zweifelsohne auch an die schrille Medienerscheinung Cindy aus Marzahn. Aber Winnie Böwe macht durch ihre Rollengestaltung diese Assoziation ganz schnell vergessen. Mit atemberaubender Hingabe an ihre Rolle vollzieht sie gleichermaßen mit der Sprech- und mit der Singstimme den Wandel vom rotzfrechen Mädchen aus der Gosse zu einer jungen Frau von Format, die Professor Higgins gehörig den Kopf zu verdrehen versteht. Den gibt Klaus Schreiber eine Spur öliger und aaliger als gewohnt, das passt hier aber wunderbar ins Konzept. Beide sind so ein Glücksfall für die Produktion, in der das ungemein spielfreudige Hausensemble nicht weniger zu überzeugen vermag – stellvertretend seien nur Roland Wagenführer als herrlich verschusselter Oberst Pickering, Frank Schneiders als schmieriger Alkoholiker Alfred Doolittle, Ivan Turšić als köstlich dämlicher Freddy und Gertraud Wagner im Dame-Edna-Kostüm als grelle Mutter Higgins genannt.
Daneben nutzen die Abteilungen des Hauses die Chance, sich ebenso zum Star des Abends zu machen. Die Hüte der Damen in der Ascot-Scene lösen verdienten Szenenapplaus aus, und das dreigeschossige Haus von Professor Higgins rückt die Bühnentechnik mit ihren Hubpodien eindrucksvoll den ganzen Abend über ins rechte Bild.
Lutz de Veer ist der Mann am Haus für alles, was swingt, und das kann er bestens. Federnd, leicht, ganz unopernhaft entlockt er seinem Orchester genau den richtigen Ton für die Begleitung der unkaputtbaren Schlager wie „Es grünt so grün“ und „Ich hab’ getanzt heut’ Nacht“.
Das Publikum feierte den Abend mit frenetischem Applaus.

Christian Schütte

 








 
Fotos: © Jörg Landsberg