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Fakten zur Aufführung 

ALBERT HERRING
(Benjamin Britten)
5. Februar 2011 (Premiere)

Hannover
Hochschule für Musik, Theater und Medien


Points of Honor                      

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Der arme Albert

Brittens Albert Herring ist für eine Hochschulproduktion besonders geeignet. Dreizehn solistische Partien müssen besetzt werden, darunter ist keine ausgesprochen kleine Partie, es gibt viele große Ensembleszenen. Ein so konzipiertes Stück bietet gerade für Studierende gute Möglichkeiten, sich einerseits im Ensemblesingen auf der Bühne zu bewähren, andererseits natürlich auch solistisch zu profilieren. Dazu kommt, dass Britten diese herrliche Satire auf das englische Spießbürgertum in der Provinz als Kammeroper für dreizehn Instrumente geschrieben hat. Auch wenn der Orchestergraben im Theatersaal der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover ein Orchester etwa in typischer Mozart-Besetzung durchaus fassen kann, bietet sich eine solche kammermusikalische Besetzung besonders an, weil eben die Originalbesetzung spielbar ist. Das nutzt Martin Brauß, bewährter musikalischer Leiter der Opernproduktionen am Haus, zielstrebig aus und sorgt mit den Studierenden im Graben für eine transparente, rhythmisch präzise Wiedergabe der Partitur, die mal spröde und schroff, mal ganz nachromantisch schwelgend klingt, immer wieder Zitate aus der Opernliteratur anbringt. Diesen Schattierungen spüren die Musiker überzeugend nach.

Ebenfalls in guten Händen ist die Regie bei Karin Seinsche. Mit souveräner und temporeicher Personenführung sorgt sie für quirliges Leben auf der Bühne und kann ihr Ensemble zu einer Menge Spielwitz motivieren. Bühnenbild und Kostüme sind, auch das schon Tradition, in Kooperation mit der Fachhochschule Hannover, Studiengang Kostümbild und Szenographie entstanden. Vitali Schreiber hat ein rechteckiges Podest auf die Bühne gebaut, auf dem wenige Requisiten ausreichen, um zu zeigen, wo die Szene gerade spielt – mal ein Bücherregal, mal ein paar Apfelsinenkisten. Ein Lamellenvorhang, in verschiedenen Farben angeleuchtet, begrenzt den Bühnenraum hinten. Mehr Bühnenbild ist nicht nötig, zumal die Fantasie der Kostümbildnerinnen Astrid Klein und Nursel Kilinç einiges zum hingucken erzeugt. Stilisierte großbürgerliche und eher dem Arbeitermilieu entsprechende Kleidung aus der Entstehungszeit des Stücks – die 1940er Jahre – bringen viel Farbe auf die Bühne, sind in ihrer Detailverliebtheit witzig und schön anzusehen.

Sängerisch stand kein guter Stern über der Premiere. Panos Jabuldakis, der die Titelpartie singen sollte, erkrankte kurzfristig. Das erforderte Maßnahmen wie unter den Bedingungen eines professionellen Opernbetriebs und gab dem Abend zugleich eine ganz besondere Qualität. Vom Landestheater Linz wurde spontan Matthäus Schmidlechner eingeflogen und sang die Partie vom Bühnenrand, während Panis Jabuldakis spielte. Nicht nur, dass Schmidlechner die Partie ganz vorzüglich sang – er sang sie, weil er sie nicht anders kann, auf Englisch, während die Studierenden eine deutsche Textfassung gaben. Den Außenseitercharakter des Albert Herring hat diese Notlösung auf wunderbare Wiese nur noch unterstrichen und dem Abend damit eine besondere dramatische Intensität verliehen – auch wenn es sicher für den jungen Sänger Jabuldakis mehr als bedauerlich war, dass er um sein Rollendebüt gebracht wurde. Die deutsche Textfassung erwies sich im übrigen als das einzige nennenswerte Manko des Abends. Die Sprache ist zu holprig und hölzern, als dass sie sich wirklich gut mit Brittens sehr auf den Sprachfluss zugeschnittener Musik verbinden ließe. Vielleicht lag es auch daran, dass die Textverständlichkeit über weite Strecken zu wünschen übrig ließ und einzig das vorbildlich geformte Englisch Matthäus Schmidlechners gut zu hören war.

Stimmlich war im Ensemble aber gleichwohl einiges Verheißungsvolle zu hören. Bei den Damen hinterließen Friederike Weritz als Lady Billows und Ines Schumacher als Mrs. Herring mit üppigem, gut geführten Material den stärksten Eindruck, aber auch Lena Kutzner als Nancy, Anna Bineta Diouf als Haushälterin Florence und Katharina Müller als Mrs. Wordsworth füllten ihre Rollen trefflich aus. Unter den Herren blieb vor allen Marian Müller als Metzgerbursche Sid mit seinem klangvollen Bariton im Gedächtnis, Nicolas Kröger als Polizeichef Budd, Christoph Biermann als Pfarrer Gedge und Rafel Rybandt als Bürgermeister Upfold gaben ihren Rollen das nötige komische Profil. Die Kinder Emmy, Sissy und Harry wurden von Xiao Dan Zeng, Sofia Körber und Florian Neubauer glaubhaft verkörpert. Und nicht zu vergessen – Panis Jabuldakis, der auch stumm dem Albert Herring anrührende Züge gab.

Insgesamt hat die Opernabteilung der hannoverschen Hochschule wieder einmal gezeigt, dass sie auf hohem Niveau arbeitet und so die Studierenden sicher auf den beruflichen Alltag vorbereiten kann. Begeisterter Beifall für alle Beteiligten.

Christian Schütte

(Weitere Vorstellungen nur noch am 7. und 8. Februar)

 











Fotos: © Nico Herzog