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Fakten zur Aufführung 

FIDELIO
(Ludwig van Beethoven)
19. Juni 2009
(Premiere: 13. Juni 2009)

Staatsoper Hannover


Points of Honor                      

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Gesang

Regie

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Scherben

Ein überraschend-überzeugender Beginn: Im total dunklen Auditorium klirrt martialisch zerschmetterndes Glas; das Licht geht an, im Orchestergraben leuchten die Pult-Lichter, die Bühne ist übersät mit Scherben, einige Glaswand-Reste strukturieren die schwarze Fläche. Es ist spannungsgeladen klar: Es geht um das Zertrümmern von Leben. Aber was Georg Schmiedleitner dann auf der Bühne geschehen lässt, wird zum Kaleidoskop von Obsessionen in obsessiven szenischen Konstellationen – lemurenartig kriechende und schwebende Widergänger des Pizarro, autistisch gestikulierende Marzelline und Jaquino, konfettiartig geschleuderte Banknoten, verdoppelnde Nebenhandlungen – am Ende jedoch stets im Rampensingen endend. Die Crux: Die literarisch erschütternden Texte Sonnleithners werden Ernst genommen – und fast schon regie-satirisch verschlimmbessert. „Scheiße!“ brüllt Pizarro nach der Information über seine aufgedeckten Untaten. Verquere Vorstellungen von einem „sympathischen Jaquino“ verhindern die glaubwürdige Umsetzung des im Programmheft verkündeten Konzepts des Scheiterns der sich selbst überfordernden Menschen – wird auch nicht intellektuell nachvollziehbar als Konfrontation von Obsessionen und Utopien. Darüber hinaus zerstört das Bestehen auf die gesprochenen Spielszenen das Kontinuum der so inhaltsträchtigen Beethoven-Musik.

Florian Parbs reduziert die Bühne auf die mit Scherben übersäte Fläche, die vom imaginativen Licht Elana Siberskis in gespenstische Szenen verwandelt wird.

Das sehr aufmerksam folgende Publikum reagiert unterschiedlich auf die szenischen Angebote – da wird schon verständnislos gegluckst, da wird aber intensiv nachvollzogen - aber so ist das eben mit dem „offenen Kunstwerk“ und der „Autonomie des Publikums“!

Einig ist man sich allerdings über die Zustimmung zu Musik und Gesang: Wolfgang Bozic entwickelt mit dem Niedersächsischen Staatsorchester eine – regiebedingt – permanent unterbrochene Präsentation von „Nummern“, findet immer wieder den „Anschluss“, musiziert instrumental transparent, verzichtet nicht auf das immanente Pathos, ohne in schwelgenden Wohlklang zu verfallen.

Brigitte Hahn gibt der Leonore bewegende Emotion, übersteigert nicht die dramatischen Extreme und demonstriert ihre ausdrucksstarke Sicherheit in den geforderten Lagen. Robert Künzli ist ein differenziert klagender, hoffender Florestan – ein Tenor mit strahlenden Höhen. Mit Brian Davis ist ein knallharter Pizarro zu erleben, der stimmlich dem aufbrausenden Orchester standhalten kann. Der Rocco Albert Pesendorfers überzeugt mit enormem Volumen, vermag den vielschichtigen Charakter differenziert zu artikulieren. Hinako Yosikawa ist eine selbstbewusste Marzelline mit eindringlicher Stimme und der eindrucksvollen Fähigkeit, komplizierte Regie-Anweisungen stimmlich bravourös gesanglich zu meistern! Ivan Tursic vermittelt mit eindrucksvoller stimmlicher Kompetenz einen aggressiven Jaquino. Der Chor (Leitung Dan Ratiu) – verkleidet als eingebuchtete Bourgeois mit Sonnenbrillen – demonstriert überzeugendes kollektives Singen unter erschwerten Bedingungen.

Ob dieser Fidelio in Hannover Diskussionen und Zustimmung auslösen wird, ist abzuwarten. (frs)

 

 







 
Fotos: Staatsoper Hannover