Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

CULTURE-CLASH/DIE ENTFÜHRUNG
(W. A. Mozart/Christof Littmann)
8. Juli 2008
(Premiere: 5. Juli 2008)

Staatsoper Hannover


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Rap v. Mozart

Ein multikulturelles Entführungs-Tohuwabohu: Mozarts Entführungs-Musik trifft auf rabiaten Rap, jugendliche Protagonisten mit Migrations-Hintergrund, professionelle Opern-Sänger, das Niedersächsische Staatsorchester, der Rapper Spax - alles langfristig vorbereitet von Staatsoper, MusikZentrum Hannover und Evangelischem Stadtjugenddienst; ein fantastisches Projekt kultureller Innovation!

Das ist eine bewundernswerte Anstrengung, die faszinierend so divergierende kulturelle Wirklichkeiten konfrontiert – und in der intensiven Arbeit individuell zusammengeführt hat.

Konfrontativ der Wechsel von perfekt intonierter Mozart-Musik (Lutz de Veer leitet das Opern-Orchester zu einem animierenden Klang zwischen berauschender Klang-Schönheit und lustvoller „Aufmüpfigkeit“), aggressiv-pochendem Rap (Spax ist sicherlich ein Meister des eruptiven Ausdrucks vulgär-brutaler Emotionen) und quirlig-munterem Mozart-Gesang - von Christof Littmann musikalisch mit Elementen des Pop und des Musicals stimuliert, von Marc Prätsch turbulent-fantasievoll inszeniert!

Doch: Die grandiose Idee und der offenbar alle Beteiligten bereichernde Entstehungsprozess sind die eine Seite des Projekts - die Resonanz beim ebenso multikuturell zusammengesetzten jugendlichen Publikum ist eine andere. Da artikulieren sich mit hektischem Gekreisch lautstarke Aversionen, da werden Übergriffe auf Frauen machohaft bejubelt, da artikulieren sich Aversionen gegen kulturelle „Feinde“, da gibt es kein Mit-Leiden, kein Eingehen auf „fremde“ Musik - da herrscht selbstreferentielle Bestätigung; eine eigentümlich unfriedliche Atmosphäre. Aufgeklärt zarter besaitete Kids fühlen sich bedrängt, werden in ihrer Auseinandersetzung mit den so kontroversen Konflikten lautstark „niedergemacht“. Von der Suche nach „Schönheit“ qua Musik keine Spur. Und das bejubelte Präsentieren der Tibet-Fahne im Finale ist wohl nur als unreflektierte Reaktion auf eine fragwürdige PR-Maschinerie zu akzeptieren.

Young-Myoung Kwon singt einen Osmin mit ausgeprägten Bass-Tiefen, Simon Bode gibt dem Pedrillo lebhaft-variablen Charakter und Ania Wegrzyn ist eine hinreißend vitale Blonde, brilliert mit einem ungemein flexiblen Sopran, und wird zum wirbelnden Mittelpunkt des tumultuösen Geschehens. Die türkischen, kurdischen, ghanaischen, dominikanischen Jugendlichen agieren mit totalem Engagement, kooperieren mit den Profis geradezu sensationell - so wie die anderen 70 Jugendlichen mit enormem Engagement ihre Rollen präsentieren.

Susan Jebrinis offene Bühne mit viel Raum für individuelle tête-à-têtes und kollektive Konstellationen schafft die adäquaten Spielflächen für spektakuläre Szenen - und für umjubelte Brutalitäten.

Das Haus ist nachgerade überfüllt, das Auditorium kocht geradezu über vor freigewordener Emotion - doch evoziert eben das, was der Titel verspricht: den Culture Clash. (frs)