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Fakten zur Aufführung 

TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
31. August 2008

KlassikSommer Hamm


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Musik

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Magie der Ideen

Befreit von bemühter Aktualisierung, ohne Bezüge zur Psyche des „Meisters“, nicht befrachtet mit Reminiszenzen der Rezeptionsgeschichte und frei vom Zwang konkreter „Bühnen-Realität“ – so wird eine „konzertante“ Tristan-Aufführung bestimmt von der Magie archetypischer Ideen, vom Geheimnis der Schattierungen zwischen Glück und Schmerz, zwischen Tod und Ewigkeit.

In Hamm, in einer der „Kathedralen der Arbeit“, einer ehemaligen Maschinenhalle der Zeche Sachsen, gelingt dieses avancierte Vorhaben mit beispielloser Vollkommenheit: Musiker, Sänger, Publikum werden zu einer intensiv nach Sinn suchenden Einheit – zusammengehalten durch existentielle Fragen, durch eine Ästhetik des permanenten Hinterfragens.

Das einmalige Groß-Ereignis ist offenbar hoch ambitioniert vorbereitet, vermittelt in jedem Moment höchste Konzentration und bewirkt das Freisetzen tiefer Reflexion.

Frank Beermann dirigiert mit hoher Kommunikations-Kompetenz und präzis-sensibler Aktion die ausgesprochen hoch motivierte Nordwestdeutsche Philharmonie – ein Orchester, das durch eine bemerkenswerte „Verjüngungskur“ an Vitalität gewonnen hat, auf konzeptionelle Hinweise subtil reagiert, über brillante Instrumentalisten verfügt und einen Zusammen-Klang erzeugt, der sich mit großen Orchestern selbstbewusst messen kann.

Brigitte Hahn ist eine Isolde mit stupender Modulierungskunst, mit fantastischen Registerwechseln, mit einer frappierenden messa di voce-Technik – und vor allem mit einer Leidenschaft für existentielle Gefühle, die sich eben nur durch Gesang ausdrücken lassen. Marina Prudenskaja ist eine adäquate Brangäne – stimmlich in allen Lagen von höchster Emotionalität, sicher in den schwierigen Höhen, alarmierend in den so diffizilen Warn-Rufen, und überzeugend in der Ambivalenz des Ausdrucks von liebender Intrige und hoffnungsloser Verzweiflung. Hannu Niemelä gibt einen kernig-verlässlichen Kurwenal; Andreas Hörl vermittelt den König Marke mit sonorer Souveränität; Paul McNamara, Andre Riemer und Klaus Beermann sind stimmlich sichere, typengerechte Melot, Hirt/Seemann und Steuermann ohne Fehl und Tadel. Und John Charles Pierce ist ein Tristan mit höchster tenoraler Kompetenz: geradezu sensationell sein Durchhaltevermögen, bewundernswert seine permanente stimmliche Präsenz, bewegend der emotionale Ausdruck, faszinierend der Wechsel vom lyrischen „Strömen“ in dramatische Höhen. Ein außergewöhnlich glänzender Auftritt des so erfahrenen Wagner-Tenors! Last not least: Bemerkenswert der mitreißende Auftritt des Opernchors Leipzig!

Der große Saal in der Alfred-Fischer-Halle ist durch Stellwände hinter dem Orchester und darüber schwebenden Decken-Elementen akustisch vortrefflich präpariert, farbiges Licht über der „Bühne“ und im Zuschauerraum sorgt für zurückhaltenden Effekt – und das Publikum lässt sich vorbehaltlos einnehmen von der Magie des musikalisch vermittelten „Seelendramas“: nach den fulminanten Akt-Schlüssen herrscht sekundenlange Stille, ehe der Beifalls-Orkan losbricht – spontane standing ovations am Ende!

Über dem Auditorium schweben zwei Projektionsflächen, auf denen Video-Bilder von Sängern, Dirigent und Musikern zu sehen sind. Nun hat Karajan schon resigniert, was die filmische Umsetzung von Musik betrifft; man sollte in Hamm nicht versuchen, mit Zappelbildern, Zooms, Überblendungen und wilden Schwenks die Film-Ästhetik der klassischen Musik zu erfinden - Übertitelungen: das wärs gewesen. (frs)