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Fakten zur Aufführung 

TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
27. November 2005

Hamburgische Staatsoper

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Viereinhalbstündige Führung durchs Berghausmuseum

Alle sind nunmehr tot oder fort. Einzig Isolde rudert mit ihrem leblosen Helden verloren im mickerlichen Holzboot, steigt aus und singt die letzten Zeilen ihres Sterbegesangs vor der herunterschleichenden Weltraumplane aus. Umarmt da den zentralen Planeten gleichwie die Harfenakkorde sie, und wird auf diese Weise selbst zum angestrahlten Symbol des letztgültigen kosmologischen Prinzips: der Feminität. So mancher Lichtmoment dieser Regiearbeit hat zweifelsohne noch die Klasse der Ausgangsproduktion von 1988. Aber das einst hochformatige Leuchten zwischen dem metaphysisch gestimmten Paar mag nun nicht mehr recht aufkommen, und auch nicht die Geschichte der brüchigen Charaktere, die Ruth Berghaus in dem sich peu à peu entweltenden Bühnenbild (Hans-Dieter Schaal) wohl eigentlich mal zeigen mochte. Inzwischen verpuffen selbst Provokatiönchen wie der Poppunk als Hirte (magisch: Jürgen Sacher) im Dunstkreis süßlicher Anachronie.

Elizabeth Connells Isolde erklingt mittlerweile nicht mehr so metallisch-klar wie das kleine Schwert zuvor in ihrer Hand, mit dem sie Tantris nicht umbringen konnte. Dafür bringt Connell noch immer ein recht feinsinniges Lamento und eine kontrollierte Höhe, wobei sie auf die letzte orchestrale Wucht dieser Krönungspartie für hochdramatische Soprane verzichtet. Der Tristan bekommt bei Berghaus nicht allzu viele Mittel in die Hand, mal einen Jagderfolgsmantel, mal einen Kompass, was den sympathischen John Treleaven im zweiten Aufzug zeitweise wie verloren erscheinen lässt. Stimmlich bewegt er sich als schwerer Heldentenor erstaunlich leicht. Und seine überzeugende, fast lyrisch anmutende Interpretation scheint dieses Stimmfach neu zu denken. Doch behält man immer den Eindruck, Treleaven singe über etwas. Das ist bei Harald Stamm als König Marke, Wolfgang Koch als Kurwenal und Peter Galliard als Melot anders. Sie geben schlüssige Rollenportraits, denen man – bis auf den vorbildlichen Stamm – darstellerisch die Ferne zu Berghaus aber anmerkt. Szenisch anmerken soll man Brangäne bürgerliche Moralfessel, was Bernadette Cullen nun auch zu transportieren vermag. In dieser anspruchvollen dramatischen Mezzopartie agiert sie trotz des anfänglich vollmundigeren Schönklangs zunehmend in matter, etwas steifer Tongebung.

Das schönste abendliche Leuchten kommt unzweifelhaft aus dem Graben: Am dortigen Pult hat sich Simone Young jetzt für Wagner Zeit genommen. Sie plant ja die „Ring“-Tetralogie im Laufe der nächsten Jahre unterzubringen, und da hat man in „Tristan und Isolde“ schon einiges mehr als das einfache Übungsprogramm, aber einfach ist einfach keine Youngsche Kategorie: heiß erglüht bei ihr bereits das erste Sehnsuchtsmotiv, und durch den gesamten zweiten Aufzug hindurch bringt sie die Staatsoper, noch weit zwingender als ein Peter Schneider, auf tropische Wärmegrade. Sie arbeitet mit ihren konzentriert aufspielenden Philharmonikern die vielstimmigen Harmoniefinessen dieses Epochenwerks präzise, auch mit Mut zum Detail, aber vor allem auch mit Sinn für die Tristandramatik heraus.

Dabei ist die Botschaft des Tristanakkords ja zugespitzt die, das Grundgefühl des Elementarteilchens inmitten des Hufeisenmagneten akustisch zugänglich zu machen. Young lässt nun aber dieses Elementarteilchen im Strudel – als Riesenturbine auf der Szene – nicht einfach in Ruhe, sondern bewegt den Magneten, gibt Richtungen, Bezugspunkte, Ideen. Innerhalb des „sinn- und sprachmörderischen Gestammel und Gestotter“ (Eduard Hanslick), das Realität nicht vermisst, sorgen Young und ihre Philharmoniker für eine sphärische, wagnerstolze Klangsprache, mit der sie dieser tiefsten Liebe der Hochromantik einen authentischen Ausdruck verleihen können. Zuletzt erhalten alle Beteiligten einen frenetischen Applaus und stehende Ovationen. Für das ansonsten hanseatisch reservierte Publikum sicher ein besonderer Gunsterweis. (wh)