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Fakten zur Aufführung 

TOSCA
(Giacomo Puccini)
22. Dezember 2005
(Premiere: 15.10.00)

Hamburgische Staatsoper

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Gefangene Kunst

Giacomo Puccinis „Tosca“ legt jenseits ihrer zeitlichen Verortung weit mehr Rechenschaft über die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, denn über die des 19. oder gar 18. ab: Die zur Totalität gewordene organisierte Falschheit schlägt noch posthum das letzte Glück. Gleich zu Beginn ertönt ihr vehementes Personalmotiv und man weiß auch seinen programmatischen Namen: Scarpia, Wesen des Unwesens. In dieser Inszenierung von Robert Carsen kaum Zufall, dass man diesem zwischen antiken Säulen vulkanartig hervorbrechenden „Cäsar“ das Malergerüst Cavaradossis zum Abstieg heranrollert. Zeichen der gesellschaftlich notwendigen Liaison von Kunst und Macht.

Ihren Grad der Verhältnisverschärfung in der Moderne versinnbildlicht Carsen ganz am Ende des Tedeums: einfach indem gezeigt wird, für welcherlei harmlos gewordene Bühnenshows – seien sie religiösen, seien sie theatralen Ursprungs – der Vorhang de facto längst gefallen ist. Ein normzerqualmender Scarpia hängt sich eben blaue Engel hin, wo er will, und zerstört sie auch, wie er will. Kunst ist gefangen. So verschiebt sich das Mordmotiv Toscas in dieser dezent tiefsinnigen Inszenierung hin zu einem überpersönlichen Racheakt von Kunst selber gegenüber ihren Verächtern oder auf welche andere Weise klatscht das Schwein da nach „Vissi d’arte“?

Lucio Gallo verleiht diesem personal-überpersonalen Typus unterdessen ein fieses Gesicht und seine voluminöse Stimme mit Fortune: anfänglich mit besonderer Betonung einer disziplinierten Exaktheit, dann zunehmend unter Einfluss einer versierten Geilheit auf Tosca mit einer vielleicht zu recht etwas schrofferen Artikulation. Der Diva Floria Tosca gibt Paoletta Marrocu eine darstellerisch große Breite von einer überspielten Koketterie über eine frömmelnd-gequälte bis hin zur ausweglosen Schicksalsfigur. Gerade auch in den Mordszenen entfesselt sie mit immer wieder durchpulst-attackierendem Gesang eine enorme szenische Wildheit, die unmittelbare Nähe zum veristischen Realitätsverständnis des Maestro hat. Hingegen schuldig bleibt sie dieser Partie das nötige Quäntchen Lieblichkeit. Erstaunlich wie authentisch Zwetan Michailov sich zu präsentieren vermag, wie zum Beispiel in dem dramaturgisch anspruchsvollen Übergang vom ohnmächtig Gefolterten zum Freiheitsverkünder. Beide Cavaradossi-Arien kommen recht ausdrucksvoll von dem edel timbrierten Tenor, ohne Hysterie oder vokaler Stemmerei.

Das Publikum würdigte alle Hauptpartien mit andauernder Begeisterung. Begeisterung stiftet aber auch der Garant für das musikalische Puccini-Glück, György G. Ráth, das bei „Tosca“ nun gerade nicht im weichen Schlummer entsteht. Äußerste Präzision in der Motivbehandlung, scharf kontrastierende Dynamik und insgesamt ein feines Gespür für die enervierende Dramatik, die lyrische Momente einschließt, kennzeichnen eine sehr eindringliche Toscainterpretation der überaus konzentriert und auch lustvoll aufspielenden Philharmoniker.

Glosse: „Ist da die Australierin heute Abend?“, wird man schon mal vorher süß angesprochen und muss das negieren. Bemerkt worden sein muss aber wohl allseits, dass sich die Intendantin gerade auch im Repertoire ziemlich regelmäßig „da“ einfindet. (wh)