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Fakten zur Aufführung 

DER ROSENKAVALIER
(Richard Strauss)
19. Mai 2002


Hamburgische Staatsoper


"OX"

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Peter Konwitschnys "Rosenkavalier"-Interpretation setzt auf die ursprüngliche Intention Strauss', der mit seiner Oper den "Ox" in den Mittelpunkt stellen wollte, das beharrende Prinzip untergehender Welten - sozial, ökonomisch, sexuell. Er zerlegt dazu die "Komödie" in drei Teile und präsentiert Octavian als Frau: das Verhältnis Marschallin/Octavian/Ochs, das mit dem Tod der Marschallin endet; die Beziehungen Ochs/Octavian/Sophie und die Vertreibung Ochs' mit der entindividualisierten Warenwelt am Schluss. Dieser tödliche Egoismus-Druck gerät zur atemraubenden Kapitalismuskritik, weitab von vulgärmarxistischen Erklärungsmustern, vielmehr hochartifiziell entwickelt aus dem Text Hoffmannsthals - und der differenzierten Klangmustern Strauss', die nicht als "zufällig" genommen werden. I
ngo Metzmacher arbeitet dieses Konzept mit dem phantastisch aufspielenden Philharmonischen Staatsorchester mit unerhörter Differenzierung aus, der "Rosenkavalier" hat auch musikalisch nichts mehr mit einer larmoyanten Operette gemein: es geht ans Existentielle.

Und dann das Ensemble! Kurt Moll "ist" der unzerstörbare Ochs, kein widerlicher Hinterwäldler, sparsam im Gestus, aber mit volltönendem, ausdrucksstarkem Bass (er hat schon 1977 in Hamburg die Everding-Inszenierung gesungen), Liliana Nikiteanu ist nicht die übliche "Hosenrolle" - sie ist die Frau, die eine Frau spielt, die einen Mann spielt, der eine Frau spielt - ein Ereignis!! Brigitte Hahns Marschallin ist eben nicht nur die unbefriedigte Generalsgattin, die ein Abenteuer sucht, sondern die erotische Verkörperung einer Epoche, in der mit dem Rokoko die rückhaltlose Liebe - auch durch ihre Machtstrategien - zu Ende geht: eine bewegende Stimme. Die Sophie Christiane Oelzes zwischen - man denke: der Frau - Octavian und Ochs ist ungemein zweifelnd in der Phrasierung. Der Faninal ist Prototyp der Profitorientierung, unsicher gegenüber den historischen Entwicklungen um ihn herum, Jürgen Freier verleiht ihm darstellerisch und stimmlich adäquate Statur.

Die faszinierende Bühne von Gabriele Koerbl mit einem Bett zwischen den Orchestermusikern im ersten Akt, verweisenden Elementen in zweiten und einem frappierenden Schaufenster im Schlussbild nebst Kostümen mit Rokoko-, 20er Jahre-, Gegenwart- und Zukunftsapproach greifen Inszenierungskonzept und die musikalische Raffinesse auf - sind zugleich Voraussetzung für eine historische Analyse mit den Mitteln des "Musik-Theaters".

Das alles sind wunderbare Komponenten eines möglichen Epoche machenden Ansatzes - wenn es nicht zwei zweifelhafte Elemente des Kommunikationsprozesses gäbe: zum einen das Publikum, das die Aufführung feiert, wie großartige "Abende" eben begangen werden, ohne dass "Betroffenheit", Nachvollzug der Intentionen spürbar würde; und zum anderen ein großmäulig-geschwätziger Text des Dramaturgen im Programmheft. (frs)