|
Peter Konwitschnys "Rosenkavalier"-Interpretation
setzt auf die ursprüngliche Intention Strauss', der mit seiner Oper den
"Ox" in den Mittelpunkt stellen wollte, das beharrende Prinzip untergehender
Welten - sozial, ökonomisch, sexuell. Er zerlegt dazu die "Komödie" in
drei Teile und präsentiert Octavian als Frau: das Verhältnis Marschallin/Octavian/Ochs,
das mit dem Tod der Marschallin endet; die Beziehungen Ochs/Octavian/Sophie
und die Vertreibung Ochs' mit der entindividualisierten Warenwelt am Schluss.
Dieser tödliche Egoismus-Druck gerät zur atemraubenden Kapitalismuskritik,
weitab von vulgärmarxistischen Erklärungsmustern, vielmehr hochartifiziell
entwickelt aus dem Text Hoffmannsthals - und der differenzierten Klangmustern
Strauss', die nicht als "zufällig" genommen werden. I
ngo Metzmacher arbeitet dieses Konzept mit dem phantastisch aufspielenden
Philharmonischen Staatsorchester mit unerhörter Differenzierung aus, der
"Rosenkavalier" hat auch musikalisch nichts mehr mit einer larmoyanten
Operette gemein: es geht ans Existentielle.
Und dann das Ensemble! Kurt Moll "ist" der unzerstörbare Ochs, kein widerlicher
Hinterwäldler, sparsam im Gestus, aber mit volltönendem, ausdrucksstarkem
Bass (er hat schon 1977 in Hamburg die Everding-Inszenierung gesungen),
Liliana Nikiteanu ist nicht die übliche "Hosenrolle" - sie ist die Frau,
die eine Frau spielt, die einen Mann spielt, der eine Frau spielt - ein
Ereignis!! Brigitte Hahns Marschallin ist eben nicht nur die unbefriedigte
Generalsgattin, die ein Abenteuer sucht, sondern die erotische Verkörperung
einer Epoche, in der mit dem Rokoko die rückhaltlose Liebe - auch durch
ihre Machtstrategien - zu Ende geht: eine bewegende Stimme. Die Sophie
Christiane Oelzes zwischen - man denke: der Frau - Octavian und Ochs ist
ungemein zweifelnd in der Phrasierung. Der Faninal ist Prototyp der Profitorientierung,
unsicher gegenüber den historischen Entwicklungen um ihn herum, Jürgen
Freier verleiht ihm darstellerisch und stimmlich adäquate Statur.
Die faszinierende Bühne von Gabriele Koerbl mit einem Bett zwischen den
Orchestermusikern im ersten Akt, verweisenden Elementen in zweiten und
einem frappierenden Schaufenster im Schlussbild nebst Kostümen mit Rokoko-,
20er Jahre-, Gegenwart- und Zukunftsapproach greifen Inszenierungskonzept
und die musikalische Raffinesse auf - sind zugleich Voraussetzung für
eine historische Analyse mit den Mitteln des "Musik-Theaters".
Das alles sind wunderbare Komponenten eines möglichen Epoche machenden
Ansatzes - wenn es nicht zwei zweifelhafte Elemente des Kommunikationsprozesses
gäbe: zum einen das Publikum, das die Aufführung feiert, wie großartige
"Abende" eben begangen werden, ohne dass "Betroffenheit", Nachvollzug
der Intentionen spürbar würde; und zum anderen ein großmäulig-geschwätziger
Text des Dramaturgen im Programmheft. (frs) |
|