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Den Schluss zuerst: Das Hamburger
Premierenpublikum bedachte die Sänger und Sängerinnen, allen voran den
Nero des Sopranisten Jacek Laszczkowski und die Ottavia des Hamburger
Opernstudiomitglieds Maite Beaumont mit reichlich Applaus. Ebenso positiv
wurde die Leistung des Barockspezialisten Alessandro De Marchi und des
speziell für die Inszenierung zusammengestellten Barock-Orchesters aufgenommen.
Ein kräftiger Buh-Chor inklusive einzelner Bravo-Rufe empfingen die junge
österreichische Regisseurin Karoline Gruber und ihre Ausstatter.
Bei dieser Hamburger Premiere - übrigens erst die zweite Poppea-Inszenierung
der Hamburgischen Staatsoper seit 1959 - zeigten sich einmal mehr die
Schwierigkeiten, aber auch die Freiheitsgrade, die das Feld der Barockoper
allgemein heute bieten. Die Geschichte der Poppea und des brutalen Willkürherrschers
Nero ist schnell erzählt: Beide eint die Sucht nach Macht - Moral und
Allgemeinwohl sind dabei nur unangenehme Störfaktoren. Die grell-bunte
Inszenierung bringt genau diese kultur- und charakterlose Triebhaftigkeit
zum Ausdruck. Eine durchgeknallte Party-Gesellschaft liebt und hasst ohne
jede Bedenken in den rot beschmierten, stümperhaft zusammen gezimmerten
Papp-Kulissen - solange bis Nero und Poppea endlich alle menschlichen
Hindernisse entsorgt haben. Nero und sein Hofstaat sind ein korrupter
Haufen, dem nichts heilig ist.
In dieser Hinsicht passen auch die Stimmen: Zwei Countertenöre und ein
Sopranist - es fällt schwer ein Urteil abzugeben. Wer das spezielle Gepräge
des Falsettsingens mag, hatte mit Jacek Laszczkowski als Nero und Brian
Asawa als Ottone sicherlich zwei Sänger der ersten Garde vor sich. Gleichwohl
zeigten sich bei aller technischen Meisterschaft auch die Begrenzungen
des Falsettsingens: Eine Altistin hätte dem Leid des Ottone durch ihren
volleren und wärmeren Ton mehr Ausdruck verliehen. In wunderbarem stimmlichen
Kontrast zur glasklaren Intonation und den perfekten, aber seltsam kalten
Spitzentönen des Nero steht die Kaiserin Ottavia der Maite Beaumont. Alleine
ihr farbenreicher Mezzo-Schmelz signalisiert: Hier ist kein Platz für
jemanden wie mich. Erwähnenswert auch die Leistung der Einspringerin Ursula
Hesse von den Steinen: Aus dem Graben heraus verlieh sie Amore, Valletto
und Palade ihre Stimme - und diese ist ein wunderbar flexibeler, eher
leichter Mezzo-Sopran.
Das Orchester unter De Marchi leistet Beachtliches: Auf der Basis einer
durch De Marchi zusammengestellten Partitur setzte sich ein barockes Klangfeeling
durch, dass durch einzelne Anleihen beim Jazz sinnvoll erweitert wurde.
Dies ist zudem ein pfiffiger Hinweis darauf, wo die Verbindung zwischen
Barock und Jazz liegt: In der Improvisation. (sr) |
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