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Fakten zur Aufführung 

GÖTTERDÄMMERUNG
(Richard Wagner)
31. Oktober 2010
(Premiere: 17. Oktober 2010)

Hamburgische Staatsoper


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Einsame Helden

Die Spannung auf den Abschluss des Hamburger Rings war aus vielerlei Gründen groß. Mit den bisherigen Teilen sind Regisseur Claus Guth und sein Bühnenbildner Christian Schmid, aber auch Hamburgs Intendantin und Generalmusikdirektorin nicht auf durchgehend zustimmendes Echo gestoßen. Wenige Wochen vor der Premiere in Hamburg hat in unmittelbarer Nähe das sehr viel kleinere Theater Lübeck seinen Ring abgeschlossen und damit auf ganzer Ebene gezeigt, dass dieses Projekt echte Konkurrenz zu den großen Bühnen darstellt. Wie würde sich Hamburg also schlagen?
Claus Guths Regie entwickelt im Lauf des Abends zunehmend eine bezwingende Dichte in der Akzentuierung der Isolation jeder einzelnen Figur. Die Bühne wird ab der Gibichungen-Szene im ersten Akt beherrscht von einem viereckigen, zweigeschossigen Gebilde mit vielen Räumen, Türen und Möglichkeiten, diese effektvoll zu nutzen – immer auch dann, wenn sich das Viereck zu drehen beginnt und damit größtmögliche räumliche Weiten erzielt. Dieses Gebäude strahlt eine große Kälte aus, ebenso ein Gefühl von Einsamkeit und Isolation. Das versteht Claus Guth durch seine ganz auf die Personenführung konzentrierte Regie zu nutzen und somit immer wieder verblüffende, nachdrückliche Bilder zu schaffen. Im ersten Akt etwa irrt Siegfried auf dem Weg zur Halle der Gibichungen schon durch die sich drehenden, leeren und weiten Räume auf der Suche nach dem richtigen Weg. Diesen Effekt nutzt Guth immer wieder für imponierende Bilder, mit dem Schluss als Gipfelpunkt, wenn der Raum sich nicht nur ein letztes Mal dreht, sondern dabei auch noch in Flammen aufgeht. Bei all dieser großen äußeren Wirkung bleibt der Akzent auf der intimen Personenführung, die Claus Guth überaus souverän beherrscht. Ganz am Ende sind Brünnhilde und Siegfried da, wo sie sich im Vorspiel getrennt haben. Aber dort finden sie nicht mehr zueinander. Der Weltenbrand hinterlässt einsame und verlassene Menschen.
Musikalisch brauchte der Abend den langen ersten Akt, um Format zu gewinnen. Simone Young irritierte mit ungewöhnlichen und nicht immer überzeugenden Tempi, das Philharmonische Staatsorchester musste einige Konzentrationsschwächen überwinden. Das alles gab sich spätestens ab der Szene zwischen Brünnhilde und Waltraute so weit, dass die Qualitäten von Hamburgs Generalmusikdirektorin und ihrem Orchester in den Mittelpunkt rückten und dabei durchweg durch satten, fülligen Wagner-Klang für sich einzunehmen wussten. Mitunter arg im Tempo verschleppte Passagen setzten sich zwar bis zum Schlussgesang fort, blieben aber letztlich Geschmackssache. Die etlichen Buhs, die Simone Young am Ende einstecken musste, waren so nicht gerechtfertigt.
Sängerisch profitiert die Aufführung von langjährig erfahrenen Wagner-Protagonisten. Christian Franz gibt seinem Siegfried war mitunter etwas zu viel Nachdruck, hat seine Stimme aber überwiegend gut im Griff, gestaltet die Partie differenziert in Farbe und Artikulation, erreicht immer wieder anrührende Momente, bis hin zu seinen letzten Takten nach dem Mord durch Hagen. Dem verleiht John Tomlinson noch immer gewaltiges Format, auch wenn die Stimme mit der Partie inzwischen hörbar an ihre Grenzen gerät. Das gilt auch für Deborah Polaskis Brünnhilde, die vor allem durch fahle und glanzlose Höhen erkennen lässt, dass die lange und kräftezehrende Partie für sie nur noch schwierig zu bewältigen ist. Auf der anderen Seite verfügen sowohl Polaski als auch Tomlinson noch immer über Zwischentöne und die Fähigkeit, Klänge und Farben zu modulieren, was ihren Rang als weltweit reüssierende Wagner-Sänger auch heute noch bekräftigt. In den übrigen Partien empfehlen sich Robert Bork als Gunther und Wolfgang Koch als Alberich mit luxuriösen Leistungen, Anna Gabler als Gutrune mit ihrem feinen Sopran, der in der undankbaren Partie leider so gar nicht recht zur Geltung kommen mag, und Deborah Humble mit erdigem Mezzo als Waltraute, zuvor auch schon als erste Norn. Cristina Damian und Katja Pieweck komplettieren das Nornen-Trio, Ha Young Lee, Maria Markina und Ann-Beth Solvang sind klangschöne Rheintöchter. Sehr präsent zeigt sich der Staatsopernchor in seinem kurzen Auftritt.
Am Ende, abgesehen von den Buh-Rufen für Simone Young, gab es wohlwollenden bis begeisterten Beifall und erstaunlich differenzierte Zustimmung für die Protagonisten.

Christian Schütte

 







Fotos: Monika Rittershaus