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Fakten zur Aufführung 

GIULIO CESARE IN EGITTO
(Georg Friedrich Händel)
13. Februar 2005 (Premiere)

Hamburgische Staatsoper

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Rocky-Horror-Show im alten Ägypten

Eines gleich vorweg: Kate Aldrich alias Giulio Cesare sieht einfach hinreißend aus mit ihrem akkurat rasiertem Macho-Bärtchen. Dazu halblange, leicht ölige Haare, Muskel-Hemd, Armee-Hosen und Stiefel mit Stiletto-Absätzen – fertig ist der römische Eroberer. Veni, vidi, vici! Darauf erst einmal ein Dosenbier, das die in Ägypten gelandeten Römer stets in rauen Mengen mit sich führen. Ratzfatz ist das provisorische Römerlager inklusive Kühlschrank (Dosenbier muss kalt sein!) aufgebaut. Bald naht auch schon das ägyptische Empfangskomitee, schließlich steht auf einem großen Werbe-Transparent oberhalb der Bühne „Welcome to Egypt“ geschrieben.

Achilla, der Getreue des Tolomeo, serviert dem Römer Julius Cäsar das abgeschlagene Haupt des Pompeius in einer goldenen Geschenkschachtel. Doch das Willkommensgeschenk ist Cäsar angesichts der leidenden Pompeo-Witwe Cornelia eher peinlich. Die Witwe gefällt dem bierseeligen, soldatischen Herzensbrecher Julius gar nicht so schlecht – immerhin sieht sie Grace Kelly nicht unähnlich.

Wieder etwas später im Handlungsverlauf wird er deshalb eine kleine Rede (Alma del gran Pompeo) auf den großen toten Herrscher halten, den er kurz vorher in der Schlacht geschlagen hat. Denn irgendwie schien seine Frau ja an dem Typen zu hängen. Wieder praktisch, dass die Römer so viel Bier trinken, denn da hat man schnell drei Bierkisten zur Hand aus denen man so ein kleines Rednerpult bauen kann - römische Flagge drauf und los geht’s. Cornelia (Yvi Jänicke) heult derweil nebst Sohnemann Sextus (Maite Beaumont im achtziger Jahre New Wave-Look) am Sarg. Doch Julius ist schon wieder mit anderem beschäftigt, erwartet ihn doch ungeduldig Lidia alias Kleopatra in seinem Zelt. Auch nicht schlecht die Puppe. Erst mal ein Bier in die Hand, damit sie sich etwas beruhigt.

Diesmal hat sich die Regisseurin Karoline Gruber Händels Giulio Cesare vorgeknöpft und vieles darin erinnert ein wenig an ihre erste Hamburger Regie-Arbeit, Monteverdis Poppea. Hier wie dort sind es die seelischen und körperlichen Grausamkeiten, die Deformation der Menschen durch Macht, die sie interessieren. Cesare ist für sie in erster Linie ein Showman, Tolomeo eine tendenziell sado-masochistische Drag Queen, Kleopatra ist auch nicht viel besser, Cornelia hat feuchte Träume wenn sie an ihren weißen Offizier Pompeius denkt und Sextus ist ein stinknormaler Halbstarker ohne Hirn. Für den Zuschauer wird es nie langweilig, es ist immer etwas los, witzige szenische Einfälle und manchmal ebensolche Kostüme (Kleopatra und Cesare tragen beide Mäntel mit aufgenähten Pfauenaugen, während sie V’adoro pupille singt) machen die Oper trotz rund drei Stunden reiner Spielzeit zu einem kurzweiligen Vergnügen. Es bleibt jedoch die Frage, weshalb Gruber nicht ganz beim Humor bleibt und doch noch die ernste Politparabel im oberflächlichen Libretto suchen muss. Die Komödie, die mit leichter Hand auf ihren ernsten Kern verweist, ist ihr nicht ganz gelungen (sofern sie so etwas vorhatte).

Dass diese Giulio Cesare-Premiere ein Erfolg war, liegt im hohen Maße an der Leistung des auf dreißig Musiker und Musikerinnen geschrumpften Orchesters sowie der teilweise hervorragenden sängerischen Darbietungen. Alessandro de Marchi dirigiert beschwingt, mit leichter Hand und eher frischen Tempi. Alleine für den Countertenor Martin Wölfel in der Rolle des Tolomeo sind diese Tempi offenkundig zu schnell, sein erster großer hysterischer Ausbruch, die Arie L’empio, sleale, geht auf diese Weise völlig unter. Schade eigentlich. Die Stimme ist außerdem zu schwach für das große Hamburger Haus. Letztlich muss man konstatieren, dass es zwar immer mehr Countertenöre/Altisten gibt, diese jedoch nur selten den akrobatischen Anforderungen der Barockrollen wirklich gerecht werden.

Dafür überzeugte die Damen-Phalanx umso mehr, allen voran die junge Aleksandra Kurzak als Kleopatra. Sie konnte jederzeit ihrer Stimme sowohl zarteste Momente als auch rasende Koloraturen abverlangen. Maite Beaumont, neuer Mezzo-Stern am Hamburger Opernhimmel, überzeugte auch diesmal wieder mit ihrer gleichermaßen kraftvollen und flexiblen sowie schön timbrierten Stimme und versöhnte so mit dem Umstand, dass für ihre Rolle offenbar wenig Regie vorhanden war. Kate Aldrich als Giulio Cesare schaffte es sogar Hickser in Koloraturen einzubauen, auch ihr ein Lob – nicht nur wegen der Hickser.

Summa Summarum eine sehens- und hörenswerte Angelegenheit, die auch das gut gelaunte Hamburger Premieren-Publikum erfreute. Einige Buhs für das Regie-Team, aber auch viele Bravo-Rufe. Einhelliger Jubel für Sänger, Dirigent und Orchester. Wer schon immer mal Männer in Röcken und Frauen in Hosen, Countertenöre in Stöckelschuhen und Kleopatra ohne Unterhose sehen wollte ist hier richtig – auf dem Werbe-Transparent über der Bühne sollte deshalb stehen: „Welcome to the Rocky-Horror-Show in Egypt“. (sr)


Foto: © Brinkhoff/Mögenburg