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Fakten zur Aufführung 

ELEKTRA
(Richard Strauss)
23. November 2007

Staatsoper Hamburg


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Triumfeminat plus Young bringen die Hamburger zum Elektra-Wahnsinn

„Aga-Mem-Non“, noch einmal „Aga-Mem-Non“. Elektra erinnert sich. An ein, nein das Verbrechen an ihrem Vater. Es kommt wieder hoch. Und gipfelt in einer zweifachen, sich gewaschenen Steigerungsbewegung, die schließlich nach Innen wie Außen munchmäßig aufschreit, begleitet von Rufen nach dem Vater. Die Qual der Gequälten ist das Warten: Warten auf Wiederkehr. Warten auf die richtige, die erfüllte Zeit, die Zeit der gerechten Rache – eine Rache, die sühnen soll und doch nichts als den Tod bringt. Elektra, ein grundmorbides Werk, eine Opera apocalyptica: einaktig wie das Leben, inhaltlich der – von Strauss aus wohl als gelungen zu bezeichnende – experimentelle Versuch einer atomaren Spaltung an der Gattung Oper, wirkt um einiges zuverlässiger als Adrenalinzäpfchen. Vor allem, wenn man die vier zentralen Sängerpartien auf Wiener Staatsopernniveau besetzt, wie jetzt in Hamburg.

„Ob ich die Musik nicht höre? Sie kommt doch aus mir.“ Wer dürfte diese Sätze Elektras in unserer Zeit mit größerer Berechtigung singen als Deborah Polaski? Ihr schlanker Steinorgane durchbohrender dramatischer Sopran findet in der satten, höhensicheren wie runden Sopranstimme Silvana Dussmanns (Chrysothemis) und dem düsteren wie pathologisch-versierten Alt von Hanna Schwarz (Klytämnestra) kongeniale Partnerinnen. Kaum lässt sich sagen, welche Dialogszene überzeugender war. Sie bilden ein wahrhaftes Triumfeminat, die drei. Ebenso begegnet Franz Grundheber in Topform. Er rezitiert den Orest in der Tonsprache der Götter oder zumindest in der eines Zarathustras nach zehnjähriger Abstinenz vom Menschengeschlecht.

Elektra zu dirigieren ist überhaupt nicht leicht. Selbst Dirigenten wie Schuch oder Böhm hatten da bekanntlich so ihre Probleme. Ratzfatz verschwinden die Stimmen im polyphonen Dickicht. Oder, schlimmer noch, ermatten daran. Unter Generalmusikdirektorin Simone Young klappt alles wunderbarst, was nicht daran liegt, dass sie das Orchester leise gestellt hat, sondern an dem erstklassigen Format der Hamburger Philharmoniker, die in sich unter ihrer Chefin geschlossen, diszipliniert und mit der nötigen Angriffslust präsentieren: Frech laufende Bläsereinsätze, sich aufstapelnde Scherbenharmonik, Herzinnenwände ausleuchtende Klänge in der Wiedersehensszene - und immer wieder wird man ehrfurchtsvoll der Instrumentationskunst von Strauss inne. Einzig am Ende hätte man sich die letzten Worte des Aegisth (Günther Neumann) noch vernehmlicher gewünscht. Hinterher rasten die Hamburger dann regelrecht aus. Ovationen, Rufe, Geschrei – für einen kurzen Moment ist es tatsächlich wieder so heiter wie seinerzeit bei Jenny Lind.

Elektra krönt in gewisser Weise Youngs unablässigen Dauereinsatz im Repertoire: Nach einem grandiosen „Otello“, einem strahlenden „Billy Budd“, einer „Jenufa“ unter György G. Rath, einer brillant in Szene gesetzten „Tosca“, erklingen demnächst Poulencs „Dialogues des Carmélites“ und „Don Carlos“. Dazu die geballte Straussiade – na, wer will denn da nicht einsitzen?

Wolfgang Hoops