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Fakten zur Aufführung 

DEATH IN VENICE
(Benjamin Britten)
2. Mai 2009
(Premiere: 19. April 2009)

Hamburgische Staatsoper


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Abstraktionsvermögen gefragt

Die Überraschung ist Regisseur Ramin Gray gelungen. So wie die Handlung von Benjamins Brittens letzter Oper Death in Venice (1973) beginnt auch die Inszenierung dieser Neuproduktion an der Hamburgischen Staatsoper "mittendrin". Das karge Bühnenbild Jeremy Herberts, dessen Requisiten sich meist auf zwei links und rechts aufgestellte Windmaschinen beschränken, ist schon vorm Beginn vollständig einzusehen. Da das Licht im Zuschauerraum vorerst nicht herunterfahren wird, bemerkt niemand so recht, wie sich Hamburgs GMD Simone Young ans Dirigentenpult schleicht und die Musik beginnt.
Ramin Gray verlangt vom Zuschauer viel Abstraktionsvermögen. Die zahlreichen Szenenwechsel, die sich eng an die Novelle Tod in Venedig von Thomas Mann anlehnen, sind oft nur durch minimale Veränderungen im Bühnenbild angedeutet. So kann man als Zuschauer schon mal den Überblick verlieren, ob sich Aschenbach gerade wieder in Venedig oder am vorgelagerten Lido befindet. Auch wirkt nicht jede szenische Einstellung überzeugend. Dass Tadzio etwa bereits während der von Britten nach zwei Szenen gewissermaßen "nachgereichten" Ouvertüre in einer Ballettsequenz im Hintergrund zu sehen ist, während der Komponist dessen ersten Auftritt erst zwei Szenen später vorgesehen hat, erschließt sich nicht. Das Licht (Adam Silverman) setzt nur wenig Akzente, und auch die Kostüme (Kandis Cook) kommen weitgehend konventionell daher. Einzig die scheußlich-schöne Aufmachung der Straßensänger sorgt für einen Glanzpunkt.
Doch davon abgesehen ist vieles an dieser Opernproduktion bewundernswert gelungen. Michael Schade als Gustav von Aschenbach steigert sich nach etwas zögerndem Beginn und gestaltet seine allein durch die permanente Bühnenpräsenz anstrengende Rolle zu einer darstellerisch wie sängerisch hervorragenden Leistung, die den Vergleich mit der Referenzaufnahme mit Peter Pears nicht zu scheuen braucht. Von vornherein bestens durchsetzen kann sich Bariton Nmon Ford in seinen insgesamt sieben Rollen. Vom seriösen Hotelmanager über den schwatzhaften Frisör bis zum auf jung geschminkten alten Geck nimmt man ihm jede seiner insgesamt sieben Rollen ab. Höhepunkt ist dabei die Darstellung des Schmierenkomödianten, der mit seiner billigen Sängerschar in einem der wenigen komischen Momente in dieser so ernsten Oper Hotelgäste wie Zuschauer unterhält.
Ein Glücksgriff ist schließlich auch Giuseppe Ragona aus der Hamburger Ballettschule als Tadzio. Er singt zwar keinen Ton, entspricht aber als Tänzer bestens Brittens hervorgehobener Beziehung zum antiken Ideal des schönen Knabenkörpers. Die Choreografie Thom Stuarts, tragendes Element der Oper, vermischt dabei geschickt wie zufällig spielende Kinder mit anspruchsvollen Ballettfiguren. Insbesondere der olympische Fünfkampf ist ihm überzeugend gelungen.
Countertenor David DQ Lee, der als Apollo von der Bühnendecke herabschwebt und mit seiner goldglänzenden Rüstung direkt aus einer Barockoper ausgeliehen scheint, bringt mit seinen leuchtenden Falsetttönen einen reizvollen Klang in die gemäßigt moderne Tonsprache Brittens. Unterstützt wird er vom bestens integrierten Chor (Einstudierung Florian Csizmadia), der mal auf der Bühne, mal hinter der Szene und mal aus dem Orchestergraben singt.
Unter den zahlreichen Nebenrollen ragen mit ihrer sehr guten stimmlichen Präsenz Moritz Gogg (unter anderem als Angestellter im Reisebüro) und als Erdbeerverkäuferin Vida Mikneviciute hervor.
Die Philharmoniker Hamburg spielen unter Leitung von Simone Young eine souveräne Partie, bei denen der vielbeschäftigten Schlagzeuggruppe besonderes Lob zu zollen ist.
Großer Beifall für alle Beteiligten in der ausverkauften Staatsoper.

Nicolas Furchert