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Fakten zur Aufführung 

AGRIPPINA
(Georg Friedrich Händel)
18. Juni 2009
(Premiere: 11. Juni 2009)

Hochschule für Musik und Theater Hamburg


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Junge Talente - witzige Inszenierung

Opern von Georg Friedrich Händel sind auf Spielplänen der renommierten Theater immer noch eine Seltenheit. Da macht zum Jubiläumsjahr auch seine einstige Wirkungsstätte Hamburg keine Ausnahme. Wie schön also, dass sich wenigstens die Musikhochschule daran wagt und Händels Agrippina auf die Bühne bringt. Natürlich verfügt sie nicht über die Ressourcen einer Staatsoper, aber das muss nicht zwangsläufig zu einer schlechteren Aufführung führen. Mancher Kompromiss, der hier eingegangen wurde, ist vertretbar, anderes schmerzt. Da ist die gesungene Sprache. Obwohl die Musikhochschule eine Übertitelanlage besitzt, nutzt sie sie nicht richtig aus. Stattdessen hat man sich entschieden, die Rezitative auf Deutsch zu singen. Das wird vor allem dann problematisch, wenn kurze Rezitative und ebenso kurze ariose Abschnitte aufeinander folgen und so zu einem schnellen Sprachenwechsel führen. Der Arientext wird eingeblendet, allerdings meist auf einen Satz zusammengefasst oder auch frei der Szenerie angepasst. Bei allen Vorbehalten gegenüber den immer gleichen Bildern barocker Texte geht der Inhalt der Arien dann doch darüber hinaus und somit verloren.
Ein weiterer Schwachpunkt ist das Orchester. Zwar werden die rund fünfzehn Mitglieder der Hamburger Symphoniker um einige Continuo-Instrumente verstärkt, aber das war's dann auch. Für ein Barockensemble fehlten sicher die Mittel, aber inzwischen sollte sich herumgesprochen haben, dass auch „normale“ Orchester sehr ansprechend barock musizieren können - wenn es ihnen denn gezeigt wird. Aber Dirigent Siegfried Schwab scheint hier keine großen Anstrengungen unternommen zu haben. Allzu gleichförmig klingt es aus dem Orchestergraben, obwohl Händels Partitur einiges an dramatischen und lyrischen Momenten zu bieten hat.
Das Bühnenbild bleibt nahezu unverändert. Egal ob die Szene in Agrippinas oder in Poppeas Haus spielt, rechts findet sich ein gelb gestrichener Raum mit großem Tisch und einer Reihe Stühle, links eine Art römisches Bad mit Duschecke und permanent betröpfeltem Boden. Doch das ist kein Nachteil, im Gegenteil, der Zuschauer findet sich bestens zurecht. Was nicht zuletzt der großartigen Personenführung von Regisseur Florian-Malte Leibrecht zu verdanken ist. Agrippina macht es einem da nicht leicht mit ihrer barocktypischen fast ununterbrochenen Abfolge von Rezitativ und Arie, Rezitativ und Arie. Aber Leibrecht versteht es, sowohl die singenden Akteure als auch die stumm Zuschauenden so in Bewegung zu halten, dass man alle musikalischen Formen vergisst und gebannt dem Geschehen folgt. Auch wenn man zu Leibrechts Auffassung, die Geschichte um die Thronfolge im alten Rom mit ihren Intrigen und Täuschungen sei „letztendlich unglaublich witzig“, geteilter Meinung sein kann, so geht seine überaus witzige Inszenierung absolut in Ordnung. Allenfalls die häufigen und allzu platten sexuellen Anspielungen und Berührungen könnten, dezenter dargestellt, viel sinnlicher ausfallen.
Die Sängerinnen und Sänger der Musikhochschule, die mit dieser Opernproduktion ihre Masterprüfung ablegen, zeigen ein unterschiedliches Niveau. Herausragend ist Go-Eun Lee als Agrippina, die nicht nur eine große stimmliche und darstellerische Präsenz mitbringt, sondern auch noch in der Lage ist, während ihrer teils halsbrecherischen Koloraturen ganz nebenbei die Krone auf Hochglanz zu polieren. Ihre größte Gegenspielerin ist eigentlich Poppea, die als die schönste Frau ihrer Zeit gepriesen wurde und eine entsprechend sinnlich-erotische Ausstrahlung haben sollte. Claudia Rometsch kann ohne Zweifel singen, verkörpert aber eher die Unschuld vom Lande. Dass ihr nahezu alle Männer verfallen sein sollen, bleibt unglaubwürdig. Zur musikalischen Konkurrenz steigert sich stattdessen Ju-Hee Min in der Hosenrolle des Nero, und singt, wenn es sein muss, auch schon mal auf dem Rücken liegend.
Dong-Hwan Lee erweckt Claudio zum Leben mit seinem unglaublich kräftigen Bass, der auch hinterm Duschvorgang bestens präsent bleibt.
Sung-Jun Park als Ottone ist von vornherein benachteiligt, denn Händel hat eine Sopranpartie komponiert, Park ist aber Tenor. Ob das zum Regiekonzept gehört oder schlicht ein Tenor untergebracht werden musste, bleibt offen. Die tiefere Lage fällt nicht immer negativ ins Gewicht, doch die enge Verbindung zu manchem Oboensolo leidet hörbar darunter. Schade, denn Park bietet sonst eine gute sängerische Leistung.
Die Nebenrollen Pallante (Ki-Hwan Sim), Narcise (Rainer Mesecke) und Lesbo (Dong-Yul Lee) haben wenig Möglichkeit, sich sängerisch zu profilieren, doch vor allem das Dienerpaar Pallante und der hier so übertrieben schwule Narcise, dass es schon wieder lustig ist, wird zum unverzichtbaren Komikerduett und sorgt für die besten darstellerischen Momente.
Wer bereit ist, den mauen Orchesterklang etwas beiseite zu schieben, dem sei diese Opernproduktion durchaus empfohlen. Sie lohnt sich einerseits wegen der jungen Talente, die mit großem Eifer und Können bei der Sache sind, andererseits wegen der weitgehend gelungenen Inszenierung.

Nicolas Furchert

 




 Fotos: © Peter Vogel