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Fakten zur Aufführung 

LA WALLY
(Alfredo Catalani)
28. Februar 2009
(Premiere: 25. Februar 2009)

Alleetheater Hamburg


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Die Geschichte einer Emanzipation

Alfredo Catalanis Oper „La Wally“ ist mit Ausnahme der Arie "Ebben, ne andró lontana“ nahezu unbekannt. Ganze fünf Inszenierungen an deutschen Bühnen gab es seit der Uraufführung 1892. Das liegt zum einen sicher daran, dass dem Stoff vor allem im deutschsprachigen Raum aufgrund der rustikalen Verfilmungen der Romanvorlage „Die Geierwally“ eher der Ruf eines Groschenromans anhaftet als der eines ernsthaften Dramas. Zudem stellt die musikalische Umsetzung Catalanis hohe Ansprüche an die Leistung der Protagonisten wie an die technischen Möglichkeiten des Theaters; zwar verzichtet die Opernversion auf den Geier, jedoch finden die beiden Hauptfiguren in einer Lawine den Tod.

Umso bemerkenswerter ist es, dass diese Rarität nach mehr als 115 Jahre an den Ort der deutschen Erstaufführung zurückgekehrt. Hamburgs Kammeroper zeigt, dass das Sujet weit mehr zu bieten hat als die weithin bekannten Heimatfilme vermuten lassen, wird doch die Geschichte einer emanzipierten jungen Frau in der Mitte des 19. Jahrhunderts erzählt, die ihr Recht auf Selbstbestimmung in einer patriarchalisch geprägten Welt einfordert.

Barbara Hass hat sich offensichtlich eingehend mit der Romanvorlage sowie mit dem Original-Libretto auseinandergesetzt und präsentiert eine für die Kammeroper bearbeitete Version des Werks. Die Umarbeitungen beschränken sich jedoch nicht nur auf den textlichen Teil, sondern erfordern für die reduzierte instrumentale Besetzung des Hauses zudem eine Anpassung des Orchesterparts. Hass ist hier äußerst intelligent vorgegangen und hat sich nicht auf bloße Striche beschränkt. Vielmehr ist es ihr gelungen, das Werk durch das Einfügen von gesprochenen Passagen für die eigene Bühne realisierbar zu machen, ohne dessen musikalische Kraft zu beschneiden; die mannigfaltigen Farben, die Catalanis Musik bieten, bleiben erhalten, die Handlungsstränge bleiben nachvollziehbar und somit der musikalische Charakter der Oper unangetastet.

Die Bühne von Kathrin Kegler und die liebevoll gestalteten Kostüme sind nicht frei von Lokalkolorit, lassen jedoch genügend Spielraum für eigene Interpretationen. Leider nutzt die Regie von Elmar Ottenthal diese Spielräume nicht immer aus, bleibt mitunter zu eng eher an der Roman- als an der Opernvorlage – bisweilen auch da, wo Catalanis Musik geradezu dazu auffordert, sich mit dem Gefühlsleben der Protagonisten zu beschäftigen. Das Ende der Oper lässt dem Zuschauer interpretatorische Freiheit. Das mag nicht jeden zufriedenstellen, korrespondiert jedoch mit dem ruhigen Finale der Urversion des Werks, die das Alleetheater präsentiert.

Als Titelheldin gab Catlen Falk ihren Einstand als Wally. Mit ihrem kraftvollen Sopran legt sie die Rolle als willensstarke junge Frau an, agiert souverän und facettenreich, ist sehr präsent, wann immer sie die Bühne betritt und meistert auch die weltberühmte Arie mit Bravour. Mit ihrer sicheren Höhe ist sie vor allem in den Gefühlsausbrüchen eine fesselnde Wally.

Die stärksten Momente gelingen dem jungen Tenor Martin Wille, durchaus mit anschmiegsamer Stimme ausgestattet, im ersten Akt der Oper – gegen Ende des Abends ist ihm dann jedoch anzumerken, wie anstrengend und kräftezehrend die Partie des Joseph Hagenbach ist. Von beiden wünscht man sich - vor allem in den musikalisch intimeren Momenten - mitunter ein wenig mehr Mut zum Piano.

Den unglücklich in Wally verliebten Vincent verkörpert der Bariton Marius Adam darstellerisch wie sängerisch sehr überzeugend, gekonnt nuancierend zwischen hoffendem und forderndem Nebenbuhler.

Joo-Anne Bitter verleiht der Hanna (eigentlich der Hosenrolle „Walter“) mit geschmeidigem, wie mühelos perlendem Koloratursopran Kontur.

Hagenbachs vermeintliche Geliebte Afra wird von Feline Knabe dargestellt. Die Figur ist in der Originalfassung der Oper nicht viel mehr als eine Stichwortgeberin. An der Hamburger Kammeroper hat die Mezzosopranistin hingegen die Gelegenheit, in einer aus Catalanis Oper „Loreley“ entliehenen Arie mit ihrer einfühlsamen Stimme für einen der gefühlvollsten Momente des Abends zu sorgen.

Bass-Bariton Ryzsard Kalus besticht durch große Spielfreude und komödiantisches Talent ebenso wie durch seine sicher geführte, mit warmem Ton ausgestattete Stimme.

Das Orchester, bei Catalani wesentlich mehr als nur Begleitung des Sängerensembles, wird von Michael Korth sicher und gekonnt durch die schwierige Partitur geführt. Die Orchestervorspiele geraten so zu gefühlsgeladenen, expressiven Inseln, die Catalanis eigenen Stil deutlich machen. Die reduzierte Besetzung schafft beinahe kammermusikalisch intime Momente, so dass man am Ende des Abends nicht das Gefühl hat, etwas vermisst zu haben.

Das Publikum im leider nicht voll besetzten Alleetheater applaudiert begeistert. Dem Alleetheater-Ensemble ist – nicht zuletzt durch Barbara Hass’ einfühlsame Bearbeitung – ein interessanter und kurzweiliger Opernabend gelungen, der neugierig macht und zudem zeigt, dass italienische Oper nach Verdi nicht automatisch Puccini bedeuten muss.

Jochen Rüth