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Bordellszenen
Nichts ist mit sentimentaler Bürgerlichkeit: Peter P. Pachl verlegt das
Edel-Prostituierten-Drama in die aktuelle Bordellszene, lässt das schmierige
Drum und Dran der käuflichen Liebe zum Antrieb werden (die Friedmann-Affäre
war zur Zeit der Premiere Januar 2003 noch nicht öffentlich) und trifft
einen Nerv der Zeit.
Die geniale Bühne Peter Sykoras verlegt die imaginativ ausgeleuchteten
Bordell-Landschaften in den leeren Bühnenraum, verweist damit auf Kulturverlust
und deformiertes Sozialverhalten. Allerdings: zu viele Details, wie bei
Pachls Regie zu viele Nebenhandlungen.
Das kritisch-zustimmende Publikum in Halle - die Hochachtung vor nicht-provinziellem
Angebot ist spürbar - fühlt sich kommunikativ animiert, verlässt allerdings
die Reserve erst durch die Freude über exzellenten Gesang und nuancierten
Orchesterklang.
Romelia Lichtenstein spielt die kalkulierende Edel-Prostituierte mit deren
erotischem Irrtum hochintensiv, verleiht der Rolle mit faszinierender
Phrasierung und brillanter Intonation dem Geheimnis sexueller Attraktivität
die beeindruckende Stimme. Dagegen sackt der offenbar indisponierte Emilio
Ruggerio als Alfredo enttäuschend ab, und der Germont Ulrich Studers verkörpert
den Berlusconi-Typ hervorragend, kommt aber mit der stimmlichen Herausforderung
der Doppelbödigkeit nicht zurecht, singt allzu "kultiviert". Der Chor
des Opernhauses Halle glänzt durch individuelles Spiel und kollektiv-dramatischen
Klang.
Pavel Baleffs Interpretation der Verdi-Klänge vermittelt mit dem perfekten
Orchester eine differenzierte Exemplifikation sowohl der Angebote Verdis
- ohne den Hauch von Humpta - als auch der Intentionen der Inszenierungskonzeption.
Halle sollte diese Traviata dem Spielplan nicht entziehen! (frs) |
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