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Fakten zur Aufführung 

DON CARLO
(Giuseppe Verdi)
24. Januar 2009 (Premiere)

Oper Halle


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Gewalt und Schrecken

Die engen rechteckigen Räume und Gänge sind nicht nur kühl und leer, die Wände nicht nur glatt, in einem abweisenden, harten grauen Weiß gehalten, sondern alles ist fast aseptisch cool, hier werden jegliche Emotionen erdrückt, hier wird geputzt und gewischt, jedes noch so kleine Staubkörnchen sofort entsorgt, jeder Blutspritzer der Opfer aufs Peinlichste entfernt, dass nur nichts, aber auch gar nichts von der wahren, unmenschlichen Härte, den Folterungen und Hinrichtungen, den Zellen und Kerkern sichtbar und erkennbar werde, Überwachungssekretärinnen notieren in ihren Kladden jede Bewegung, jedes Wort, nichts entgeht ihnen. Auf der Drehbühne des neuen Don Carlo der Oper Halle mit ihren Spiegeln und gleissenden Scheinwerfern gelingen Ausstatter Volker Thiele und Regisseur Frank Hilbrich überaus eindrucksvolle, zeitlos moderne Bilder einer Schreckens- und Gewaltherrschaft wie der Philipps II. und der Inquisition im Spanien des 16. Jahrhunderts. Als ob sie ihrer eigenen, stimmigen Idee nicht richtig vertraut, setzt die Inszenierung aber dann immer wieder noch eins drauf, will noch mehr verdeutlichen, noch mehr zeigen, was gemeint ist, der Zuschauer aber schon längst kapiert hat und rutscht dabei stellenweise in ein Über-Pointieren, ins aufgesetzte Chargieren ab.

Wenn der ungestüme Don Carlo im schweren Pelzmantel im Eingangsduett mit seinem Freund Marquis von Posa mit dem gelben Tuch der unterdrückten Flandern hin- und herwedelt, ist die Assoziation eher der lustige Fußballfan als das Symbol des Freiheitskampfes eines geschundenen Volkes. Wenn die Türen aufs Taktende zugeschlagen werden, Don Carlo mit roter Farbe „Hilfe“ an die Wand sprühen muss und die Schergen die Opfer mit roten Todes-Kreuzen auf dem Leib markieren, dann wirkt das immer als ein Zuviel, überzogen und aufgesetzt, genauso wie die sich liebenden Blumenkinder während  des nächtlichen Treffens von Don Carlo und der ihn liebenden Prinzessin Eboli. Dass all diese ablenkenden plakativen Äußerlichkeiten die im Grunde sehr stimmige Inszenierung nicht nötig hat, zeigt sich im zweiten Teil, der weitgehend ohne die überdrehten Action-Anteile auskommt und damit wesentlich intensiver gelingt. Faszinierend dabei der große Monolog „Sie hat mich nie geliebt“ von König Philipp, ein völlig gebrochener Mensch,  in langen Unterhosen und aufgerissenem Hemd und dabei in keinem Moment lächerlich, ohne jegliche Bewegung, fast starr seine Arie deklamierend,  ein eindrucksvolles, jämmerliches Bild seiner Selbst zeigend. Das war gewagt - aber auch dank der intensiven Darstellung und Stimme des Bassisten Riccardo Ferrari - gewonnen und gelungen. Verstörend sinnfällig auch das brutale Niederknüppeln des Volkes durch die kirchliche Inquisition oder der von seinen Henkern in Zeitlupe abgeführte Marquis von Posa.

Wohl entsprechend der im ersten Teil sehr aktionsreichen Bühne hatten auch die Sänger kräftig zugelegt. Bei dem markanten und eher harten Bariton von Gerd Vogel als Marquis von Posa und dem kräftigen Mezzo von Ulrike Schneider als Eboli führte dies zu einem dauernden, unnötigen Forcieren, worunter die Stimmgestaltung litt. Erst im zweiten Teil ließen sie die Modulationsfähigkeit ihrer Stimmen erkennen. Als Elisabetta von Valois wusste Romelia Lichtenstein mit ihrem schön und differenziert geführten Sopran ebenso zu überzeugen wie der Tenor Bülent Külekçi in der Titelrolle. Jürgen Trekel und Ki-Hyun Park komplettierten das Solistenensemble als Großinquisitor und Mönch. Neben dem gut geführten Chor (Einstudierung: Jens Petereit) trug auch die präzis agierende Statisterie zum Gelingen der Aufführung bei. Die Staatskapelle Halle unter ihrem engagierten Generalmusikdirektor  Karl-Heinz Steffens (der bis vor kurzem noch Solo-Klarinettist bei den Berliner Philharmonikern war) bot das sichere musikalische Fundament mit kräftigem, sattem, aber auch fein gesponnenem Verdi-Klang. 

Das Publikum im vollbesetzten Opernhaus verfolgte die Premiere mit gespannter Aufmerksamkeit, die jahreszeitlich bedingten Huster hielten sich in engen Grenzen, und applaudierte allen Beteiligten mit großem Beifall, unterstützt durch Füßetrampeln und Bravo-Rufe. Lediglich das Regie-Team musste auch ein paar einzelne Buh-Rufe einstecken.

Axel Göritz