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Fakten zur Aufführung 

BELSHAZZAR
(Georg Friedrich Händel)
8. Juni 2008
(Premiere: 6. Juni 2008)

Händel-Festspiele Halle


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Hypertrophien

Romelia Lichtenstein interpretiert mit ungemein wandlungsfähigem Sopran die Nitocris, überzeugend phrasierend, impulsiv in der enttäuschten Leidenschaft, bewegend in vergeblicher Überzeugungskraft, demütig in letzter Hoffnung – stimmlich mit extraordinärer Variabilität, darstellerisch ein Archetypus menschlicher Verzweiflung. Jordi Domenech verkörpert einen strategisch operierenden Cyrus, der sich als Retter und charismatischer Eroberer präsentiert – geradezu ideal in den aggressiven Tönen mit dunkler Tönung, aber auch „weichen“ Anklängen, emotionale Berührung stimmlich berührend umsetzend. Nicholas Sales gibt dem orgiastisch-siegestrunkenen Belshazzar ungemein differenzierten Charakter: phantastisch in seinen stimmlichen Möglichkeiten, klar in der Artikulation, beeindruckend in den Imaginationen der emotionalen Brüche. Florian Boesch ist der gradlinig-strömende Bass des gerechtigkeitssuchenden Gobrias, und David DQ Lee gibt dem prophetischen Daniel intensiven Klang, bleibt in seinem stimmlichen Duktus der starre Vertreter einer nicht-hinterfragbaren Wahrheit. Der Chor der Oper Halle (Leitung Jens Petereit) und das Vocal Concert Dresden vermitteln beeindruckend-interpretierenden kollektiven Gesang, haben allerdings Probleme mit dem geforderten individuellen Agieren.

Philippe Calvario – ein Chereau-Schüler – setzt in seiner Inszenierung auf die Omnipräsenz kriegerischer Konflikte zwischen den Zivilisationen: tyrannische Babylonier, gläubige Juden, dominierende Perser – und präsentiert am Ende des so ambivalenten Spiels den Perserkönig als neue Ikone der Unterdrückung. Es gelingt ihm eine faszinierende Integration zwischenmenschlicher Konflikte in unüberschaubaren Machtkonstellationen. Doch in der Personenführung fehlt das Ingenium der Darstellung existenzieller Kommunikation – zwar bewegt, aber im Bühnenhandeln zu statisch-beziehungslos.

Pierre Nouvel baut eine Bühne mit drei gestuften Rampenelementen und zwei Treppentürmen. Das wirkt mit vielem Geschiebe durchaus raumfüllend, lässt aber – auch mit kommentierend projizierten Videos – erst gegen Schluss beklemmende Atmosphäre aufkommen.

Grandios die Händel-Interpretation durch das Händel-Festspiel-Orchester unter der Leitung des ungemein umsichtigen Martin Haselböck: Da faszinieren wechselnde Tempi, da animiert eine kalkulierte Dynamik, da brillieren einzelne Instrumente, da gibt es imaginierende Brüche im Orchesterspiel, spannungsreiche Pausen und bedeutungsschwere Übergänge der Instrumentengruppen – und das alles in intensiver Übereinstimmung mit dem Bühnen-Agieren und der vermittelten „Bedeutung“!

Das engagiert-interessiert-kundige Publikum der Händel-Festspiele folgt gebannt, verfolgt die differenziert vermittelte Handlung und ist beeindruckt von Musik und Gesang. Der Beifall – enthusiastisch! (frs)
 






Fotos: © Gert Kiermeyer