Leidenschaft als ob
Es mag der Fluch der zweiten Aufführung sein: als Reflex auf die gelungene Premiere sinkt der Spannungsbogen ab. So werden die opulenten Leidenschaften zu Konventionen des Singens, die Händels Zauber-Oper zur kleineren Schwester Alcinas machen. Maria Riccarda Wesselings Amadigi gewinnt nur gegen Schluss dramatische Statur, nachdem Sharon Rostorf-Zamir mit der Schwur-Arie der Zauberin Melissa nach fast drei Stunden für emotional bewegenden Furor gesorgt hat. Die Liebenden Orianna/ Dardano werden von Ulrike Ludewig und Anna Fischer darstellerisch und auch stimmlich routiniert präsentiert.
Überraschenderweise passt sich auch die ansonsten formidable Lautten Compagney unter Wolfgang Katschner dieser Routine an und liefert ein akademisch perfektes Tongebilde ab.
Rüdiger Papes Regie von Händels ohnehin schwächerem Kolportage-Stück bleibt einfallslos-stereotyp, vermag es nicht, tiefe Einblicke in menschlich-archetypische Befindlichkeiten zu transportieren.
Ursula Müllers Videoprojektionen von Blumenbildern auf klappbare Wände bleiben Dekor, vermögen kein Staunen zu evozieren, das aber Theater bekanntermaßen ausmacht. Zudem: die Gegebenheiten der intakten historischen Bühnenmaschinerie in Lauchstädt zu missachten, ist und bleibt eine vertane Chance!
Das Publikum im traditionsreichen Goethe-Theater setzt sich zusammen aus abgebrühten Festival-Hoppern, engagierten Händel-Freaks, kundigen Opern-Kennern und den unvermeidlichen Touris, die ihren kümmerlichen Status auch durch blödsinniges Blitz-Fotografieren dokumentieren. (frs)
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