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Existenzieller Strom
Zu Zeiten skandalträchtiger Akteure - Walser, Immendorf, Reich-Ranicki
usw. - ist es angezeigt, Künstler in ihrer existentiellen Bedrohung zu
zeigen. Das gelingt Kay Metzger mit Brittens "Tod in Venedig" im kleinen,
tapferen Halberstadt glänzend. Der dekadente Aschenbach erlebt seinen
Untergang in einem existentiellen Strom morbider Atmosphären. Auf der
Drehbühne bewegt er sich selbst auf der Stelle, die Stätten des Verfalls
passieren seinen rauschhaft erlebten Untergang. Schade, dass ein kitschiges
Schlussbild mit dem nackten Tadzio eher an "Wege zu Kraft und Schönheit"
erinnert als Betroffenheit auslöst.
Brittens spätromantisch inspirierte Musik wird vom exzellenten Orchester
des Nordharzer Städtebundtheaters unter Johannes Rieger eingängig-farbenreich
mit allen klangmalerischen Effekten ausgesprochen präzis präsentiert.
Petra Mollerus gelingt es, die pausenlosen Szenenwechsel - Hotelhalle,
Gondel, Strand, Friseur.... - mit Hilfe prägnanter Requisiten vor einem
malerischen Lagunen-Horizont auf der Drehbühne permanent erzählend nachvollziehbar
zu halten.
Mit Heiko Börner ist ein spielintelligenter Sängerdarsteller zu erleben,
der perfekt intoniert und das morbide Gefühl auch stimmlich vermittelt,
Andreas Jören "assistiert" mit enormer Präsenz als "Reisender" wandlungsfähig
in diversen Rollen, die Solisten und der Chor des Halberstädter Theaters
agieren hochkonzentriert, vermitteln im fin de siècle-look den Verfall
einer Epoche.
Das hart kämpfende Haus hat vehemente Unterstützer: da gibt der Landrat
die Sparkassen-geförderte neue Drehbühne frei, da folgt ein hochinteressiertes
Auditorium dem Bühnengeschehen intensiv gespannt, und da gibt es eine
Viertelstunde Schlussapplaus mit standing ovations. Ein ganz wunderbarer
Theaterabend! (frs) |
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