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Fakten zur Aufführung 

RUSALKA
(Antonin Dvorak)
16. März 2008
(Premiere: 30. November 2007)

Theater Halberstadt
Nordharzer Städtebundtheater


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Opfer Natur

Das Orchester auf der abgedunkelten Bühne, auf dem abgedeckten Orchestergraben die Spielfläche , dazwischen eine bühnengroße Folie als Projektionsfläche für diffuse Film-Bilder: sw-Sequenzen zerstörender Gebäude, Autoverkehr im Zeitraffer, fließende Makro-Aufnahmen, Ausschnitte aus Animations-Filmen, immer wieder fließende Wässer mit Mond und versinkender Erdkugel. Malte Kreutzfeldt schafft Film-Bilder auf dem schmalen Grat zwischen Natur und Zivilisation. Andre Bücker – Intendant des mutigen Nordharzer Städtebundtheaters – inszeniert das Märchen von der menschen-süchtigen und –enttäuschten Nixe Rusalka als Spiel um das Opfer der Natur. Er reduziert die Handlung auf sparsame Aktion, verlässt sich – zu Recht – auf die zivilisationskritisch fokussierte Dramaturgie Aud Merkels und verzichtet auf szenischen Realismus und konventionelle Märchenbilder.

Alrune Sera stellt handlungsorientiert ein paar Tische und diverse Stühle auf die Spielfläche – Natur und Zivilisation in vor-entschiedener Kommunikation.

Und das durchaus beeindruckende Sängerensemble des Nordharzer Städtebundtheaters setzt diese inszenatorischen und szenischen Angebote in überzeugendes Bühnenhandeln um und interpretiert das so aktualisierte „Märchen“ hoch eindrucksvoll.

Katharina Warken vermittelt eine zwischen den Welten zerrissene Rusalka mit gebrochener Leidensfähigkeit und wandlungsfähigem Sopran, wunderbar lyrisch im Lied an den Mond, stimmlich-aggressiv im tötenden Finale. Gijs Nijkamp ist der fast apokalyptisch warnende Wassermann, verleiht ihm voluminöse Kraft mit emotionalem Ausdruck. Ünüsan Koluglu ist ein machohaft-verunsicherter Prinz, vermag mit viel Volumen und gekonnter Kopfstimme die komplizierten Registerwechsel angemessen zu bewerkstelligen. Gerlind Schröder ist die fundamentale Hexe Jerzibaba und die aggressive Fremde Fürstin, stimmlich scharf akzentuierend, mit intensiver Ausstrahlung. Die drei Elfen (Marie Friederike Schöder, Bettina Pierags und Steffi Gehrke) singen außerordentlich ausdrucksvoll und klangschön, und Juha Koskela und Anke Walter singen den Heger und den Küchenjungen mit intensivem Ausdruck.

Das Orchester des Nordharzer Städtebundtheaters agiert im geheimnisvollen Licht der Pultleuchten und interpretiert unter dem Musikdirektor Johannes Rieger einen geradezu „märchenhaften“ Dvorak-Klang: luzide, transparent und mit sehr viel nachdrücklicher Emotion. Eine bewundernswert eigenständige Auffassung des so oft routiniert-standardisiert missachteten Dvorak-Meisterwerks!

Die Nachmittags-Aufführung im architektonisch befremdenden Halberstädter Theater besuchen mehrheitlich ältere Besucher in Gruppen aus dem Raum zwischen Goslar und Wolfenbüttel; nach anfänglichen Husten-Orgien und kommentierendem Gemurmel nimmt die imaginierende Aufführung mit ihrer nachvollziehbaren Botschaft das Publikum gefangen: gespannte Aufmerksamkeit und respektvoller Applaus.

In Anbetracht der polizeilichen und gerichtlichen Tatenlosigkeit im Zusammenhang mit den rechtsradikalen Überfällen auf Schauspieler des Theaters ist dieser Zusammenhalt von Theater und Publikum die Rettung der Stadt Halberstadt vor dem existenzbedrohenden Image einer Neo-Nazi-Hochburg - wenn sie es denn schon nicht selbst schafft. (frs)