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Fakten zur Aufführung 

ORPHEUS IN DER UNTERWELT
(Jacques Offenbach)
14. November 2009 (Premiere)

Theater Hagen


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Wie ein schönes Glas Champagner

Immer nur weiße Kleidung, immer hübsch lächeln - und über allem ein permanent azurblauer Himmel. Das nervt die olympischen Götter gewaltig. Kein Wunder, dass sie auf dem überdimensionalen Bett, das Kirsten Dephoff ihnen auf die Hagener Drehbühne gebaut hat, aus purer Langeweile ständig einpennen. Da kommt so ein kleiner Ausflug in Plutos Unterwelt gerade recht. Und dann: wieder dasselbe Bett, diesmal aber rot bezogen und von plüschernen Wänden umgeben, einladend zu kleinen oder größeren Sünden: Hier lässt’s sich leben - und so endet Jacques Offenbachs Orpheus in der Unterwelt bekanntlich im bacchanalischen „Höllen-Cancan“.

Thomas Weber-Schallauer inszeniert folgerichtig auch mehr ein amüsantes Boulevardstück über Liebesverwirrungen denn ein Stück um Sein und Schein, um bürgerliche Moral und Doppelmoral.

In dieser Beschränkung gelingt ihm ein temporeicher, amüsanter Operettenabend. Der zeichnet sich aus durch einen immensen Ideenreichtum, durch kleine und kleinste Pointen. Wem nichts entgehen wollte, der musste die Bühne komplett und stetig im Auge behalten. Das war prima! Ein echter Hingucker auch das Hagener Ballett – es ist wunderschön, wie Ricardo Viviani den Tanz der Fliegen in der Hölle choreographiert. Dazwischen Werner Hahn als Hans Styx mit Insektenspritze – ein herrlich menschlicher Untoter. Weber-Schallauer hätte sich hier allerdings die Anspielungen auf die Bankenkrise schenken können, da Aktualisierung in seiner Sichtweise auf Offenbachs Werk auch sonst keine herausragende Rolle spielt. Ein Pluspunkt ist seine Dialogfassung, die entspannt-entschlackt daher kommt.

Das Ensemble geht mit großem Spaß zu Sache. Da gibt es im der personenreichen Crew keine Ausfälle. Auch Wolfgang Müller-Salows Chor samt Extrachor, aus dem zahlreiche Solopartien besetzt wurden, ist bestens aufgelegt.

Rolf A. Scheider (Jupiter) und Markus Petsch (Pluto) balgen sich als Halbstarke der fünfziger Jahre mit von Haargel strotzenden Tolle um Eurydike, das es eine Freude war. Aus der Schar der Götter ragen Richard van Gemert als dicklich-fliegender Banker Merkur heraus, der stets eine Linie weißen Pulvers dabei hatte und Marilyn Bennett als schwangere Göttermutter Juno. Stets eifersüchtig und genervt, ist sie prächtig anzuschauen, immer geplagt von süß-sauren Schwangerschaftsgelüsten. Ihr Versuch, Wackelpudding zu essen, ist schon ein Highlight!

Kristine Larissa Funkhauser ist eine Öffentliche Meinung, die im strengen Geschäfts-Outfit erscheint und Jeffrey Krueger (Orpheus) ein betrügender betrogener Ehemann, der es faustdick hinter den Ohren hat und im engen Zuhause längst nicht mehr aushält. Schließlich Elena Fink, die als Eurydike mühelos die höchsten Höhen erklimmt und Koloraturen zwitschert, als wäre sie in ihrem vorherigem Leben eine Nachtigall gewesen.

Bernhard Steiner leitet das Philharmonische Orchester Hagen, die konzentriert und hörbar lustvoll zu Werke gingen. So macht Offenbach Freude. Insgesamt war dieser Orpheus wie ein schönes Glas Champagner: prickelnd, animierend, ohne schädliche Folgen am nächsten Tag. So empfand es offensichtlich auch das begeisternd applaudierende Hagener Publikum.

Thomas Hilgemeier

 










 
Fotos: Stefan Kühle