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Fakten zur Aufführung 

LA TRAVIATA
(Giuseppe Verdi)
16. Januar 2010 (Premiere)

Theater Hagen


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Eine schnörkellos erzählte Geschichte

Schöne Parties, nette Unterhaltung, viel Vergnügen und auch fleischliche Lust – für all dies ist gesorgt im Salon der Violetta Valéry. Es ist ein Leben, das emotional stets nur an der Oberfläche bleibt: Violetta als Objekt. Bis Alfredo in ihr Leben tritt – und den Gefühlshaushalt der Kurtisane auf einmal ganz gehörig durcheinander wirbelt. „È strano...“

Der Ausgang der Geschichte nach Alexandre Dumas’ „Kameliendame“ ist bekannt: Violetta stirbt, ohne je Zeit bekommen zu haben, wirklich zu lieben und wirklich geliebt zu werden. Gregor Horres erzählt die Tragödie schnörkellos, unterstützt von Jan Bammes, der als Spielfläche für den ersten Akt einen klassizistisch anmutenden Salon mit hohen Türen und spärlich vorhandenem Mobiliar auf die Bühne stellt. Dieser äußere architektonische Rahmen bleibt als einheitliches Bild bestehen, mutiert im zweiten Akt zum Landhaus-Terrain (mittels seltsamer, akkurat glatt abgesägter Baumstümpfe), wandelt sich zum Anwesen der Flora Bervoix, zum Schluss in Violettas Gemach, in dem sie stirbt. Dies alles ist unspektakulär, ohne dezidierte Personenführung und ohne große optische Attraktion. Gregor Horres setzt auf die Kraft der Musik, auf die immer wieder betörende, suggestive Wirkung, die Giuseppe Verdi mit wenigen Mitteln erreicht. Und mit Florian Ludwig steht ein Dirigent am Pult des Philharmonischen Orchesters Hagen, der mit Haut und Haar in die Tiefe der Gefühle hineintaucht. Kein belangloses Wum-Ta-Ta, aber auch kein überzuckertes Sentiment.

Stefania Dovhan wird vom Publikum überschwänglich gefeiert für die Violetta. Der gibt sie einen intensiven Ton, zeigt sich sicher in der Intonation, technisch brillant in den heiklen Koloraturen („sempre libera“) – ein glaubwürdiges Rollenportrait von großer Ausstrahlung. Noch anrührender, noch sinnlicher wird Dovhan diese große Partie ausgestalten, ist sie einmal ganz und gar hineingewachsen in den Taumel der Emotionen, denen die Traviata ausgeliefert ist.

Dominik Wortig hat - nicht nur am Theater Hagen - immer wieder aufhorchen lassen, bleibt indes mit der Gestaltung des Alfredo hinter den Erwartungen ein klein wenig zurück. Sein Tenor klingt vor allem zu Beginn des Premierenabends nicht wirklich frei und in der Höhe gedrückt. Wer Wortig über die letzten Jahre hinweg erleben konnte, weiß, dass er es eigentlich besser kann – womöglich ist seine Stimme derzeit nicht hundertprozentig gesund. Immerhin steigert er sich vom ersten bis zum dritten Akt.

Frank Dolphin Wong ist ein vielseitiger Sänger, dem auch die Rolle jenes Vaters liegt, der einen Keil zwischen die Liebe seines Sohnes Alfredo und Violetta treiben will. Und dies ganz unerbittlich. Wong entfaltet die ganze emotionale Spannbreite vom liebenden Vater bis hin zum knallharten Geschäftsmann. Von den kleineren Partien, die das Theater Hagen adäquat aus seinem Ensemble besetzen kann, seien Marilyn Bennett (Annina) und Orlando Mason (Grenvil) genannt.

Das Hagener Publikum feierte mit dieser Inszenierung gleichzeitig die Eröffnung "ihres" Kulturhauptstadtjahres 2010. Ja, Hagen mischt kräftig mit während der kommenden zwölf Monate – mit dreißig eigenen Veranstaltungen! Das ist eine stolze Zahl – und wieder einmal der Beweis, welch ein kulturelles Potenzial in dieser Stadt steckt. Genau da hinein sollte man Geld investieren, statt unablässig den Rotstift zu zücken.

Christoph Schulte im Walde

 









 
Fotos: Stefan Kühle